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George Wang – Steht das EPD tatsächlich bald vor der Tür?

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Gast dieser Podcast Episode ist George Wang, ehemaliger Masterstudent von Alfred Angerer und Leiter Shared Services und New Business sowie Mitglied der Geschäftsleitung von Acamed Ärztezentren. Dabei handelt es sich um eine Ambulante Ärztliche Institution, welche als Praxisnetz mehrere interdisziplinäre Gruppenpraxen im Kanton Zürich betreibt.
In diesem Praxisnetz ist George unter anderem verantwortlich für die Prozessoptimierung und das Lean Management.
Im Zusammenhang damit ist er Alfred vor allem aufgrund seiner ausgezeichneten MAS Arbeit zum Thema «Chancen und Gefahren des elektronischen Patientendossiers (EPD) für den externen Kommunikationsprozess einer Hausarztpraxis» geblieben, über deren Inhalte er nun berichtet. Weniger interessant für ihn war dabei die medizinische Qualitätssteigerung der Harztarztpraxen von Acamed als vielmehr die Kommunikationsverbesserung mit Blick auf Prozesse und Lean.

Hören Sie in diesen Podcast, um noch mehr über die spannenden Erkenntnisse dieser Arbeit und die Acamed Ärztezentren zu erfahren sowie darüber, ob das EPD tatsächlich bald vor der Tür steht und zudem auch Einzug in unser Gesundheitssystem erhält.

Fragen und Antworten

George ist vor Allem ein Allrounder und für alles zuständig was nicht mit der aber rundum der Medizin zu tun hat, z.B. der IT, Facility, Marketing usw., diese sind jedoch nicht von der Medizin entkoppelt zu betrachten. BWL-Studium mit Marketing als Vertiefung an der HSG. Ist ein 80-20 Mensch, wenn er 80% seines Zieles erreicht hat, hört die Motivation auf.

Die Acamed-Zentren bestehen aus fünf verschiedenen Standorten. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2013 von meinem Bruder, der Mediziner ist zusammen mit einem Kollegen von ihm. Mittlerweile haben wir Mitarbeiter bestehend mehrheitlich aus Ärzten aus den Bereichen Psychologie, Gynäkologie, TCM und vor Allem Hausärzten. Wir sind ein junges Team und haben kein Druck von Investoren. So können wir unseren eigenen Prinzipien folgen.

Auf Ebene der Geschäftsleitung sind wir immer wieder auf der Suche nach Praxen, die wir übernehmen, sowie auf der Suche nach geeigneten Ärzten und Personal, die wir rekrutieren können. Wir investieren auch sehr viel Zeit in Schaffung von Qualitätsstandards und der internen Kommunikation und expandieren nur nach und nach.

Ja, da nicht viele Hausärzte den Fachausweis für Akupunktur haben, was eine OKP-Finanzierung ermöglicht. Alle anderen Praktiken werden mit der VVG abgerechnet. Es gibt viele TCM-Therapeuten, die jedoch nicht Mediziner sind.

Zuerst wird das bestehende Angebot weiter angeboten. Die Schwierigkeit liegt darin einen Arzt zu finden, der Mediziner ist und den Fachausweis für Akupunktur besitzt. Weiter sollte dieser Arzt auch zum Team und der Unternehmenskultur passen.

Dies ist ortsabhängig. Weniger Nachfrage besteht bei Praxen in urbanen Gebieten mit viel Immigrations-Hintergrund. Hier werden Zusatzleistungen weniger beansprucht. Die wohlhabenderen Gemeinden sind offener für solche Angebote.

Viele Informationen wurden nur über offizielle Medien kommuniziert. Daher wurden wir überrannt mit den Anfragen für die damaligen kostenlosen Tests, dessen Information auch nur öffentlich und nicht spezifisch kommuniziert wurde. Dies hat sehr viel Flexibilität seitens unseres Unternehmens erfordert.

Der wissenschaftliche Titel war “Chancen und Risiken eines EPDs für den externen Kommunikationsprozess einer Hausarztpraxis“. Eigentlich wollt ich nur wissen, ob das EPD einen Mehrwert generiert für die externen Kommunikationsprozesse einer Hausarztpraxis.

In der Praxis habe ich beobachtet, dass die Mitarbeiter besonders die MPAs sehr viel Zeit dafür brauchen Berichte einzufordern und zu verarbeiten. Informationen sind oft nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar. Das EPD als Informationssystem wäre hierbei ein Lösungsweg.

Hausarztpraxen haben eine Drehscheibenfunktion um den Patienten herum. Der gesamte Kommunikationsprozess fängt beim Hausarzt an und hört dort wieder auf. Der Hausarzt verwaltet und koordiniert Therapien, indem Überweisungen und Berichte an Leistungserbringer, wie die Spitex und den Apotheken eingefordert und verschickt werden. Die Hausarztpraxis steht somit in der Mitte des Behandlungsprozesses.

Ja, Hausärzte können Einfluss auf die Entscheidung des Bürgers haben mit der Begründung, dass die medizinische Behandlungsqualität somit gesteigert wird.

Bei der Anmeldung werden schon relevante Informationen vom Patienten eingefordert. Berichte, Laborresultate und diverse Informationen anderer Leistungserbringer müssen angefordert und verwaltet werden, wie beispielsweise Überweisungen und Spitalaustrittberichte. Diese Informationen müssen gebündelt und im gesamten Behandlungsprozess wieder an weitere diverse Leistungserbringer geschickt werden.

Das Verwalten der Informationen, wie Berichterstattungen und Überweisungen, die erstellt und eingefordert werden, benötigen sehr viel Zeit. Nach Erhalt der Berichte müssen diese rechtzeitig dem Patienten im System zugeordnet werden.

Für den Patienten stellt das EPD ein sinnvolles Instrument dar, da es zu medizinischen Qualitätssteigerung beiträgt und Doppeluntersuchungen aufgrund fehlender Laborresultate und Informationen verhindert. Das EPD ist nicht ausgelegt zur Verbesserung des Kommunikationsprozesses der Leistungserbringer. Der Mehrwert des EPD liegt im Nutzen für den Patienten und nicht für die der Leistungserbringer.

Die Schwierigkeiten liegen im Detail. Zum Beispiel sind Laborresultate schon elektronisch vorhanden. Jedoch liegt die Herausforderung darin, dass der Arzt die Resultate zum richtigen Zeitpunkt erhält und im System wiederfindet. Das System teilt nicht in Notfall- und Standardresultate ein, sondern zeigt alle Resultate ohne Priorität an. Hierzu braucht es MPAs, die Resultate manuell nach Dringlichkeit dem Arzt zuteilen. Das Primärsystem ist nicht für Notizen für die MPAs z-B ausgelegt, sodass manuelle Notizen erstellt werden müssen. Wir als Praxisgruppe haben allein nicht genug Marktpower, um Druck auf die Softwareanbieter zur Veränderung der Programmtools auszuüben.

Die Prozesse wurden in einem Wertstromdiagramm aufgezeichnet. Dort ist sehr gut ersichtlich, wo die Verschwendung stattfindet und effizienter gearbeitet werden könnte. Eine Lösung wäre die Automatisierung durch Digitalisierung. Überlegungen könnten sein, welche technischen Hilfsmittel geeignet sind, um den Soll-Prozess zu erreichen.

Während meiner Recherche habe ich mehrere Tage die Prozesse beobachtet und Notizen erstellt. In einem Mitarbeiter-Workshop wurden die Prozesse aufgezeigt, was seitens der Ärzte und Ärtzinnen zu Erstaunen über den Umfang der Arbeitstätigkeit einer MPAs führte.

Die Berichtsverwaltung stellt das grösste Problem dar. Hierzu braucht es meist mehrere Telefonate bis die Abwicklungen stattfinden. Dabei passieren viele Fehler. Wenn Berichte in der EPD-Cloud bestehen würden, würden die Fehler und Zeitfresser verhindert werden. Jedoch bedingt der reibungslose Ablauf, dass Berichte in der EPD zuverlässig abgelegt werden. Eine weitere Bedingung ist, dass möglichst viele Leistungserbringer an der Einführung einer EPD teilnehmen.

Bedingung ist, dass die Bedienerfreundlichkeit sehr hoch sein muss und im Primärsystem integriert werden kann. Das EPD stellt ein separates Portal dar. Es gibt zahlreiche Systeme und Portale. Diese erfordern diverse Know-Hows und das Einloggen. Ein einheitliches System würde Abhilfe schaffen. Also ist die Einfachheit und die Integrationsmöglichkeit der Königsweg.

Die Softwarehersteller sind sehr zögerlich in der Systemanpassung. Es bräuchte einen Softwarehersteller, der sich diesem Thema und diesem Problem wirklich widmet und die Anpassungen angeht.

Das ist eher eine “Nice to have-Funktion“, weil es gibt viele andere Faktoren im Primärsystem, die wichtig sind für die Praxis. Die EPD spielt hierbei eine untergeordnete Rolle, daher sind andere Faktoren relevanter im Softwareentscheid für unser Unternehmen.

Im Alltag haben wir das EPD weder implementiert als auch erwägt. Das Thema EPD und das Bewusstsein ist bei den Ärzten auch noch gar nicht angekommen.

Die Themen sind aufeinander aufbauend. Zuerst muss ein guter Prozess her, dann überlegt man sich wie man den Prozess digitalisieren kann.

Zu Beginn würden nach meiner Recherche sehr wenige Ärzte mitmachen. Wenn ich eine Zahl nennen müsste, würde ich auf 10% tippen.

Ein Obligatorium ist ein Instrument zur Einführung, ist jedoch nicht zielführend. Die Einführung des EPD setzt nicht die tatsächliche Nutzung voraus. Es dürften keine Lücken im System bestehen bezüglich fehlenden Information wegen zu geringer Nutzung, da dies in den Folgebehandlungen gefährlich sein könnte.

Die zentrale Frage hierbei ist “welche Daten sind behandlungsrelevant?“ Die Herausforderung liegt darin, die Daten zu strukturieren. Bei einer Praxisübernahmen fanden wir sämtliche Krankenakten in analoger Form vor. Wir mussten entscheiden, welche älteren Laborbefunde wir scannen und ablegen sollten. Diese Herausforderung gilt auch für die Datensammlung in einer EPD.

Das Strukturieren von Daten ist jetzt schon eine Schwierigkeit in den Primärsystemen. Die Ärzte und Ärztinnen müssten sich einig sein bei der Datenstruktur und müssten eine einheitliche Ablage im System einführen. Wenn eine einheitliche Datenstrukturierung der Ärzteschaft stattfindet, könnte dies eine hypothetische Lösung darstellen.

Das Kontroverse ist das Thema des Obligatoriums. Dies liegt in der Natur der Sache. “Wie gut wäre die Qualität bei einem zwingenden Instrument und wer verwaltet die die Pflege des EPD?“ Wichtig ist, dass die Ärzteschaft ein EPD-Vorbild hat. Bei meinen Befragungen gaben Ärzte und Ärztinnen an, dass sie nach den Empfehlungen ihrer Kollegen und Kolleginnen handelten. Um ein EPD einzuführen, bräuchte es Ärzte und Ärztinnen, die über ihre Erfahrungen in Kongressen berichten. Meine Empfehlung ist ein Leuchtturmprojekt mit einer Hausarztpraxiskette zu schaffen, das eine Vorbildfunktion und daraus resultierend Empfehlungsabgaben generiert.

Das Aufzeigen des Mehrwerts für den Patienten würde eine Einführung bei der Ärzteschaft veranlassen. Die Informationen müssten unkompliziert und strukturiert aufbereitet zur Verfügung stehen.  

Kurzfristig nicht, langfristig könnte mit viel Geduld und genügend Geldmittel, sowie Überzeugungsarbeit eine langsame Bewegung erreicht werden.

Administrative Aufgaben werden nur noch automatisiert stattfinden. MPAs und die Ärzteschaft kümmern sich dadurch nur noch um die Patienten. Dies führt zu einer Qualitätssteigerung in der Behandlung und gleichzeitig führt dies zur Effizienz und Kostensenkungen. Die zukünftig kostentreibenden Faktoren wie die der Demografie könnten dadurch kompensiert werden.

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