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Alfred Angerer und Sina Berger – Der Digital Health Report 2023/2024

82 ELS Steuern Organisation/Strukturen Leisten Prozesse Entwickeln Innovation Politik/öffentliche Hand Leistungerbringer Digital Health: Innovationen und Trends Elektronisches Patientendossier (EPD) Datenschutz- und Datensicherheit Datenaustausch Technik

In der aktuellen Folge verlässt Alfred Angerer seine gewohnte Rolle als "Moderator" und begibt sich, zusammen mit seiner Co-Autorin Sina Berger, in die des Gastes. Da sich ein Podcast auch im Jahr 2023 nicht alleine führt, übernimmt Co-Host Stefan Lienhard die Moderation der aktuellen Folge. Wie der Titel bereits vermuten lässt, ist das Erscheinen des vierten Digital Health Reportes 2023/2024 der Grund für diese etwas ungewohnte Situation. Sina Berger, Chefredakteurin des Projekts, ist ebenfalls Gast der aktuellen Folge. Für die treuen Hörer:innen ist Sina Berger, die bereits mehrfach in diesem Podcast zu Gast war, keine Unbekannte. Seit 2018 ist sie Teil des Teams Management im Gesundheitswesen des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie und hat bereits diverse Digitalisierungsprojekte erfolgreich umsetzten können.

Die vierte Ausgabe des Digital Health Reports 2023/2024 präsentiert sich nicht nur durch die Autorenschaft, sondern auch optisch und inhaltlich in einem neuen Licht. Der Report ist nun erheblich umfangreicher mit insgesamt 197 Seiten und erstmals in gebundener Form beim MWV-Verlag erhältlich. Der Untertitel "Mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen wagen!" deutet bereits darauf hin, dass der Report eine inhaltliche Neuausrichtung erfahren hat. Das übergeordnete Ziel bestand darin, einen Bericht zu verfassen, der allen beteiligten Akteuren Mut macht, mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen zu wagen. Durch konkrete und realitätsnahe Beispiele wird aufgezeigt, dass die Digitalisierung mit der richtigen Umsetzungsstrategie zahlreiche Chancen und Vorteile bietet, ohne dabei die Risiken und potenziellen Gefahren zu vernachlässigen. Die richtige Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eine positive Nachricht für uns alle: Sie kann die Qualität der Gesundheitsversorgung steigern und gleichzeitig die Kosten senken, um nur einige der zahlreichen Vorteile zu nennen. Die traurige Realität zeigt jedoch, dass diese positiven Botschaften nicht bei allen ankommen. Genau hier setzt der neue Digital Health Report 23/24 an.

Hören Sie in diese Sonderfolge und erfahren Sie, welche Innovationen uns in der Patientenreise der Zukunft (2033) erwarten. Entdecken Sie, welche Bedeutung Schnittstellen und ein vernetztes Gesundheitsökosystem für den Erfolg der Digitalisierung haben, welche Sorgen und Ängste in diesem Zusammenhang auftreten und welche konkreten Lösungsansätze dafür existieren – all das und vieles mehr, womit sich Alfred Angerer und Sina Berger in dem Report intensiv beschäftigt haben.

Bemerkung: An dieser Stelle möchten wir unseren herzlichen Dank an unsere Sponsoren, Accenture CSS, und die Schweizer Post, aussprechen. Die erfolgreiche Kooperation hat massgeblich zur gelungenen Umsetzung dieses Berichts und letztlich zu dem tollen Endergebnis beigetragen.

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Den ausführlichen Digital Health Report 2023/2024 erhalten Sie sowohl in physischer als auch digitaler Version unter folgendem Link: https://www.mwv-berlin.de/meldung/!/id/480

Fragen und Antworten

Sina Berger:

- Ich bin seit 2018 am WIG, von einer Praktikantin zur wissenschaftlichen Mitarbeiterin. Ich habe im Bachelor und im Master Gesundheitsmanagement studiert und arbeite normalerweise im Hintergrund für diesen Podcast.

- Mein Herz schlägt für das Gesundheitswesen und ich sehe mich zukünftig in keiner anderen Branche.  

- Ich reise sehr gerne und mache einen Kochkurs in jedem Land, das ich bereise.

Alfred Angerer: 2017 kam der erste Digital Health Report heraus, in welchem wir einen groben Überblick zu Digital Health und den dahintersteckenden Zahlen für das breite Publikum gaben. Bisher fokussierten sich die Berichte auf das Geben eines Überblicks und einer Strategie. Der aktuelle Bericht lichtet ein positives Zielbild des Gesundheitswesens ab.

Sina Berger: Genau. Uns ist es wichtig, ein positives Zielbild der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu vermitteln. Wir zeigen die Vorteile auf, welche damit einhergehen und wie Digital Health erfolgreich umgesetzt werden kann, ohne aber die Gefahren zu vernachlässigen. Wir wollen Mut machen für eine Digitalisierung. Dadurch kann die Qualität der Gesundheitsversorgung gesteigert oder auch die Kosten reduziert werden.

Alfred Angerer: Der Patientennutzen ist klar; bessere Qualität, Kosteneffizienz und eine bessere Ausrichtung auf die Bedürfnisse. Für eine bessere Vorstellung haben wir im Bericht einen Patientenpfad im Jahre 2033 dargestellt. Beispielsweise eine Person mit Husten führt eine Selbstanamnese per App durch, eventuell verbunden mit auditiven Assessmentinstrumenten. Nach Evaluation der App wird diese Person bei Bedarf mit einem Arzt verbunden, der Einsicht auf alle erhobenen Daten der Wearables hat. Die verschriebenen Medikamente werden per Post zugestellt und eine App kann die Kompatibilität dieser ausgeben. Auch administrative Aufgaben, wie eine Krankschreibung für den Arbeitgeber oder das Erstellen einer Abrechnung, die ebenfalls mit dieser Patientenreise verbunden sind, können per Klick erledigt werden. All diese Technologien sind bereits heute vorhanden, werden jedoch in der Schweiz bislang nicht so eingesetzt.

Sina Berger: Es hat drei wichtige Themen, wenn es um Ängste von Patienten geht. Nummer eins ist die Angst vor unpersönlichen Beziehungen, worunter die Empathie und das Vertrauen zur Ärztin leiden. Nummer zwei ist Angst vor Überwachung und Missbrauch der Daten. Es wird befürchtet, dass persönliche Gesundheitsdaten in falsche Hände geraten und dann missbraucht werden. Auch, dass aufgrund von Gesundheitsdaten die Krankenkassenprämien steigen, wenn Versicherungen Einblick bekommen. Das letzte wichtige Thema ist die digitale Gesundheitskompetenz. Die Befürchtung ist, dass ein Nachteil entsteht, wenn man sich in der Welt der digitalen Tools nicht zurechtfindet.

Alfred Angerer: In Interviews mit Angestellten hat sich ebenso eine Mitarbeiterreise herauskristallisiert. Viele geben an überlastet zu sein, z.B. durch zu viel Dokumentation und Administration. Hier kann die Digitalisierung eine Entlastung bieten und so, zur Freude der Mitarbeitenden, mehr Zeit für eine direkte Patienteninteraktion entstehen

Sina Berger: In den Interviews kamen zwischendurch auch negative Äusserungen, mehrheitlich waren die Mitarbeitenden jedoch positiv eingestellt. Zum Beispiel kann diese zusätzlich entstehende Zeit wieder für das Kerngeschäft, die Pflege der Patientinnen, eingesetzt werden. Die Digitalisierung wird als Hebel der Hoffnung gesehen, um den administrativen Aufwand zu reduzieren.

Die Offenheit der Mitarbeitenden der Digitalisierung gegenüber ist essenziell, doch darf nicht vergessen werden, dass anfänglich durch die Einführung der Technik ein Mehraufwand entsteht. In diesem Zusammenhang muss jedoch langfristig gedacht werden.

Alfred Angerer: Einerseits sprechen wir hier immer von guter Software. Andererseits wird es aber auch Verlierer geben; das Ausfüllen einer Sonderverordnung von Hand geht schneller, als einen Sonderantrag digital zu erstellen. Was jedoch hoffentlich im Gesamtprozess zu Verbesserungen führt.

Alfred Angerer: Das ist schwer zu sagen, da es selten quantifiziert, aber oft von Softwareherstellern so verkauft wird.

Wir haben einmal Bereiche ausserhalb des Gesundheitswesens zur Digitalisierung und ihrem Mehrwert befragt. Aber auch hier fehlen die grossen Datensätze, um dies zu beweisen. Keiner will noch zusätzlich Zeit und Geld in die Erhebung dieser Daten investieren, jedoch sagt jeder aus einem Bauchgefühl heraus «ja, das lohnt sich».

Alfred Angerer: Hierzu hat es wissenschaftliche Daten, es kommt zur Veränderung eines Produkts und der Interaktion. Aus Patientensicht wird die Vernetzung nicht immer wahrgenommen, doch ist sie ein grosser Heble der Digitalisierung. Auf einem Patientenpfad sind viele unterschiedliche Institutionen und Dienste beteiligt, zwischen all denen es Schnittstellen gibt. Diese Schnittstellen stellen momentan eine grosse Herausforderung dar. Würde es hier eine Plattform geben, worüber alle Anfragen einfacher abgewickelt werden könnten, würde dies sehr viel verbessern. Dies müssen nicht zwingend Partnerschaften sein.

Alfred Angerer: Alle Leistungserbringer wären über reibungslose Schnittstellen mit vereinfachtem Datenaustausch erfreut. Die Bremser in diesem Fall sind die Softwareentwickler. Eine Öffnung von Schnittstellen ist oft nur über eine monetäre Vergütung möglich, was viele Anbieter, die Lösungen zum Datenaustausch erstellt haben, sich nicht leisten können

Alfred Angerer: Es hat fünf relevante Technologiegruppen, die sehr stabil sind. Diese sind KI, Internet of Medical Things, Robotic, Virtual Reality/Augmented Reality und Distributed-Ledger-Technology (DLT). Unter anderem ist Blockchain eine Anwendung von DLT. Wichtig kann diese Anwendung vor allem im Bereich von Daten und Datensicherheit sein.

Alfred Angerer: Meistens ist man enttäuscht darüber, was unter disruptiv verstanden wird. Eigentlich sollte nicht von der Technologie an sich ausgegangen werden. Die Technologiegruppe ist einer von fünf Bausteinen, die es für eine disruptive Innovation braucht. Zusätzlich muss man die Bedürfnisse verstanden haben, ebenso die Gesundheitsdomäne, Prozesse und die Einbettung dieser in den Alltag und letztlich das Ökosystem von Finanzierungsmöglichkeiten. Welches Fünfer-Päckli gibt es, dass all diese Punkte beinhaltet, um disruptiv zu sein

Alfred Angerer: Wie eingangs erwähnt, wollen wir die Risiken der Digitalisierung nicht vernachlässigen. Ein Risiko unterscheidet sich jedoch von einem Mythos. Die fünf häufigsten Mythen sind: Datenklau und
-missbrauch; Entsolidarisierung aufgrund von Einsicht in die Daten und einer dadurch steigenden Prämie; Spaltung der Gesellschaft, wenn ältere Personen sich weniger gut in der digitalen Welt zurechtfinden; Entstehung einer neuen Gesundheitsdiktatur durch verpflichtendes Tragen von Wearables; ein kaltes und unpersönliches Gesundheitswesen.

Im Report gehen wir auf all diese Probleme ein und erklären, wie diese gelöst werden können. Es hat viele Fehlinformationen in diesen Bereichen.

Alfred Angerer: Es kommt von der Können-Wollen-Dürfen-Logik. Wir müssen an das technische Können, wie viel wir wollen und welche gesetzlichen Möglichkeiten es hat denken. Betroffen davon sind Organisationen und Gesundheitsfachpersonen, wir als Bürger und die Politik. Legt man diese zwei Matrizes übereinander, so entsteht der 9-Punkte-Plan, anhand diesem wir vorgehen würden.

Die Lösung ist nicht einfach, doch wir unterscheiden zwischen Punkten, die jetzt kurzfristig angegangen werden sollen und welchen, die langfristig angegangen werden sollen. Wollen dies Bürger überhaupt? Welche Rahmenbedingungen gibt die Politik vor? Generell kann, ohne politische Vorgaben, keine spontane Einigung zwischen unterschiedlichen Partnern bezüglich Datenweitergabe erwartet werden. 

Sina Berger: Wie in allen bisherigen Berichten hat es auch dieses Mal wieder eine Trendprognose. Mit Experten wollten wir mögliche Zukunftsszenarien entwickeln. Alle sind sich einig, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen wesentliche Fortschritte machen wird. Ebenso wird eine bessere Vernetzung erwartet, was den Datenaustausch vereinfachen soll. Dafür benötigt es jedoch Regeln. Auch die Diagnostik soll von der Digitalisierung profitieren. Das Angebot der medizinischen Behandlung und Effizienz diesbezüglich wird sich ebenfalls verändern. Der Arztberuf wird sich radikal ändern, jedoch nicht verschwinden – es braucht weiterhin Empathie und Kompetenzen, welche durch Maschinen nicht ersetzt werden können. Wichtige Überlegungen sind auch, ob das Ziel ist möglichst lange zu leben oder erfüllt und selbstbestimmt. Ethische Fragen werden ebenso sehr bedeutend.

Alfred Angerer: Die letzte Frage in unserem Fragebogen war, «Was ist eine crazy Vision für 2050?». Wobei es Aussagen zu technologischen Prothesen, einer Schnittstelle Gehirn-PC oder auch Do-it-yourself-Medizin gab.

Alfred Angerer: Ja, es hat Antworten auf einige deiner Fragen. Ärzte werden weiterhin vorhanden sein, ebenso Spitäler. Zu den derzeit bestehenden Akteuren werden viele weitere hinzukommen, z.B. was ist eine Tele-Nurse und was sind ihre Aufgaben?

Sina Berger: Wir haben unsere Ziele erreicht und wollen der Welt zeigen, dass man keine Angst vor der Digitalisierung haben muss. Uns war es wichtig, den Nutzen der Digitalisierung für alle Akteure im Gesundheitswesen aufzuzeigen und nehmen dafür jede Perspektive ein – der Nutzen für den Patienten steht hierbei im Fokus. Die Hürden der Realisierung sind menschlicher Natur, da die technischen Möglichkeiten bereits existieren. Im Bericht zeigen wir auf, wie diese Hürden gemeistert werden können.  

Alfred Angerer: Es hat keine grossen Überraschungen. Eines meiner persönlichen Ziele war es, aufzuzeigen, warum es so schleppend mit der Digitalisierung vorangeht und ein positives Zielbild für den Change zu erstellen.

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