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Ramon Sprenger – Exzellenter Service im Gesundheitswesen aus der Perspektive eines echten Butlers

44 Leisten Kompetenzen Prozesse Produktion (Leistungserstellung) Leistungerbringer Rehaeinrichtungen Patientenzentrierung

Ramon Sprenger ist Leiter der Hotellerie der Rehaklinik Zihlschlacht. Er ist ausgebildeter und freischaffender Butler, Trainer für gute Etikette und bringt zudem einen Background in zwei ausgebildeten Pflegeberufen mit. Damit ist Alfred Angerers Gast, den er aus dem MAS Managed Healthcare der ZHAW kennt, prädestiniert dafür, die folgende Frage zu beantworten: “Übertreiben wir es langsam mit den PatientInnen als KundInnen oder müssten wir mehr Denken wie ein Butler beim Thema Service im Gesundheitswesen?”

Ramon bringt dabei eine Perspektive in seine leitende Tätigkeit der Rehaklinik, die eine Exzellenz der Services für die PatientInnen fordert und danach strebt, die Zufriedenheit dieser zu erhöhen sowie ihr Erlebnis zu verbessern. Dabei geht es ihm und seinem Team darum, den PatientInnen im Rahmen ihres Aufenthaltes, welcher ihr Leben auf eine gewisse Art verändern wird, unvergessliche Erlebnisse zu gestalten und ein Teil davon zu sein.

Dabei spricht der gelernte und aktive Butler von der sogenannten Standardisierung der schönen Begegnungen, von der 100%-Regel, Disneyland und davon, wie er als Schwan “invisible Services” liefert, die den «Bedienten» eine Freude machen.

Hören Sie in diese Podcast-Episode und erfahren Sie, was sich hinter diesen Metaphern und vielen mehr sowie dem Werkzeugkoffer verbirgt, den er täglich und mit grosser Freude in seinen Arbeitsalltag bringt und auch darüber, wo und wie man eine solche Ausbildung zum Butler absolvieren kann.

Fragen und Antworten

Die erste Ausbildung erfolgte als Fachmann Gesundheit (FaGe) und diplomierter Pfleger. Weiterhin ist Ramon ein leidenschaftlicher Koch und Gastgeber.

Viele Familienmitglieder sind in der Gastronomie tätig. Das Gesundheitswesen jedoch hatte jedoch ebenfalls seine Faszination. Da Pflege und Gastronomie das Wohl des Kunden in den Fokus stellen, entschied Ramon Spengler sich in Richtung Gesundheitswesen zu gehen.

Ramon Spengler leitete als Stationsleiter drei Jahre lang die internationale Abteilung in der Rehaklinik Zihlschlacht. PatientenInnen aus aller Welt kamen in die Klinik. Durch die Funktion wurde das Thema Guest Management sehr präsent, sodass automatisch die Konfrontation mit der Hotellerie erfolgte. 

70% unserer Patienten sind Kunden aus der Schweiz mit einer Schweizer Krankenversicherung. Der Rest der Kunden ist internationaler Herkunft.

Die Brücke zwischen Pflege und Hotellerie ist gar nicht so gross. Beides ist eine Dienstleistung zum Wohle des Patienten.

Die Hotellerie ist sehr wichtig, wenn sie nicht als interner Dienstleister gesehen wird. Die Hotellerie gewinnt an Wirksamkeit, wenn sie Teil des interdisziplinären Teams ist und unterstützend bei der Therapie des Patienten mitwirken kann. Die Patientenzufriedenheit ist ein sehr grosser Fokus unserer Klinik, daher ist die Hotellerie eine wichtige Dienstleistung.

Letztes Jahr im Juni eröffneten wir unserer Rehaklinik Oasis. Die Lobby sowie das Restaurant stellen nicht das typische Bild einer Klinik dar. Die Einzelzimmer sind Sutiten gleich mit exklusivem Ausblick. Die Gewichtung der Hotellerie ist beim Hereinkommen sofort bemerkbar.

Der Butler hat mich als stiller Held schon immer sehr fasziniert. Ich lernte eine Butlerin mit exzellenter Ausbildung kennen, die mich inspirierte, den Weg einzuschlagen.

Ein Butler oder eine Butlerin ist kein KellnerInn 2.0, obwohl das ganze Table-Management ein großer Bereich des Butlertums darstellt. Menschen, die Butler in ihrem Haushalt einsetzen, geben diesem sehr viel Vertrauen und Verantwortung ab. Butler sind die einzigen Personen, die mit den Auftraggebern sprechen und die Wünsche des Auftraggebers mit vollster Zufriedenheit erfüllen. Ich bin der Manager eines ganzen Haushalts sowie der Gastgeber bzw. unterstütze die Gastgeber dabei und koordiniere den ganzen Unterhalt und die GärtnerInnen des Hauses.

Ja, das ist tatsächlich so. Die Serien zeigen sehr viel Wahrheit. Es werden z.B. die Vorhänge beim Wecken ebenfalls genauso geöffnet wie in den Serien. ButlerInnen schauen den Menschen dabei nicht in die Augen, um unangenehme Situationen zu vermeiden.

Ich informierte mich, wie ich Butler werden kann. Das Butlertum ist kein geschützter Beruf und hat keinen geschützten Titel. Ich besuchte verschiedene Schulen für Butler und Butlerinnen und entschied mich für die Schule “School for Butlers and Hospitality“ in Brüge in Belgien. Viele Schulen bieten kein kompaktes Programm in kurzer intensiver Zeit an. In Brüge wurde mir zugehört. Ich konnte vermitteln, dass ich die Ausbildung zum Einsatz in der Reha-Klinik benötige. Während meiner gesamten Lernphase wurde ich demnach in diese Richtung gefördert.

Ja, die meisten der Schulbesucher sind Absolventen einer Hotelfachschule. Es gab aber auch eine Assistentin der Geschäftsleitung sowie eine Flight Attentend und einige Butler zum Einsatz auf Kreuzfahrtschiffen. Ich war der Einzige, der die Ausbildung zwecks Reha-Klinik gemacht hat.

Die Ausbildung wird in acht Wochen absolviert. Jedoch waren diese acht Wochen die intensivsten meines Lebens. Den einzigen freien Tag, benötigten wir, um die Prüfungen rasch vorzubereiten.

Absolut. Unser Schulleiter hat als Principal fungiert. Es war nicht immer angenehm aber diese Disziplin braucht es auch.

Die Kommunikation, die den Beruf des Bulters ausmachen, wie die Haltung und Sprache sowie auf nonverbaler Ebene sind ein grosser Teil der Ausbildung. Weiterhin wurden zahlreiche Werkzeuge und Techniken erlernt und mitgegeben, die im Alltag einsetzbar sind. Lernintensiv sind die Produktekundefächer, die sehr viel Wissen über Weine, Konjak, Kaviar, Zigarren, Muscheln usw. Dabei geht’s um die Herstellung, die Klassifizierung und die Qualitätserkennung. Weiter geht es um die eigene Kleiderpflege und die des Auftraggebers. Beispielsweise “Wie gehe ich um mit der Kleiderpflege eines Chanel-Kleides im Wert von 20 000 Euro?“

Der Vergleich oder die Metapher eines Butlers oder einer Butlerin in der Tierwelt hilft dabei. 90% der Menschen vergleichen Butler aufgrund des Anzugs mit Pinguinen. Ein Butler vergleicht sich mit einem Schwan, der sehr gelassen zu sein scheint und elegant über das Wasser gleitet, jedoch passiert unter der Wasseroberfläche sehr viel. Ich biete invisible Services, da ich beobachte, um eine Freude zu machen. Während der Beobachtung identifiziere ich die Bedürfnisse des Auftraggebers.

Meine Managementausbildung hat mir geholfen Head Butler-Aufgaben (Leitungsfunktion eines Butlers) besser zu kommunizieren. Während dem Kochen konnte ich mehr Blut sehen. Mein Auge für das Detail hatte ich mitgenommen, dieses wurde jedoch während der Ausbildung nochmal stark verstärkt.

Als Person hat mich die Ausbildung nicht verändert. Die Ausbildung hat mich jedoch disziplinierter gemacht. Von aussen ersichtlich ist die Veränderung, dass ich nun eine Fliege trage auch im Alltag. Meine Klinik hat mich sehr unterstützt bei der Ausbildung. Es war jedoch klar, dass danach etwas zurückfliessen wird.

Im Arbeitsumfeld habe ich keine Reaktionen bemerkt. Im Privaten bin ich auf Unsicherheit gestossen bezüglich des Umgangs am Tisch und das Halten von Besteck etc. in meiner Gegenwart. Dies war jedoch dann auch der Funke für mich Etikettentraining im Sinne eines Freundschaftsdiensts anzubieten.

Das Dienen ist eine Leidenschaft. Ich bezeichne meine Tätigkeit jedoch nicht gerne als Dienen, sondern ich vergleiche es mit Rätsel suchen. Es geht darum die Bedürfnisse einer Gruppe von Menschen zu identifizieren und diese zu erfüllen. Die invisiblen Services waren ein grosser Teil der Ausbildung. Wir haben gelernt die Dienstleistungen zu toppen von unseren Auftraggebern. Während dem Essen der Auftraggeber hat das andere Team deren Auto poliert von innen und aussen, sowie Wasserflaschen und Minz-Pastillen im Auto aufgefüllt. So haben wir immer wieder versucht unsere Dienstleistung exzellenter zu gestalten.

Wir verhalten uns sehr professionell, sodass manchmal ein grosser Austausch nicht mehr stattfindet. Sie lassen jedoch ab und an ein Trinkgeld da. Ein Trinkgeld für einen Butler darf in einem privaten Haushalt jedoch immer nur in einem Umschlag abgegeben werden.

Auch ausländische Kliniken haben eine Leitung in der Hotellerie, die bemüht sind ihre Dienstleistungen an den Patienten zu optimieren. Dies benötigt auch keine hohen Kosten. Das Erlebnis in einer Klinik spielt eine grosse Rolle für den Patienten und der Patientin. Jeder Klinikaufenthalt bedeutet meist ein Wendepunkt im Leben eines Patienten und einer Patientin.

Mit der Sprache kann ein grosser Mehrwert erzielt werden. Wir hatten in der Ausbildung 4 No-Go-Wörter wie “yes, no, ok, no problem“. Sobald ich anfange die Wörter, die ich jeden Tag mehrmals sage zu verbieten, fange ich an mir Gedanken zu machen, wie ich mich stattdessen ausdrücken könnte. Das Wort OK stammt aus dem Schützengraben, um zu kommunizieren, dass sich keine Toten im Schützengraben befinden. Insofern gehört dieses Wort nicht in den Alltag.

Besonders durch Floskeln versuchen wir unseren Alltag einfacher zu gestalten, um uns keine Gedanken machen zu müssen was wir genau antworten. Der Klassiker im Hotel ist die Frage “Wie war die Fahrt?“ Die Frage jedoch “Hätten Sie gerne ein Getränk zur Ankunft?“ generiert einen Mehrwert. In der Klinik möchten wir signalisieren, dass der Kunde willkommen ist.

Wir versuchen durch Weiterbildung-Angebote, die wir in der Klinik geschaffen haben, um dieses Wissen weiterzutragen. Es braucht viel Überwindung Floskeln nicht anzuwenden. Gerade in der Pflege gibt es viele Floskeln wie “Haben Sie gut geschlafen? Geht das? Ich komme sofort!“

Es braucht nicht immer Floskeln als Eisbrecher, sondern wieso kann man nicht mit einem Kompliment in ein Gespräch hinein starten? Solche Komplimente bleiben dem Gast im Gedächtnis.

Die Gäste erinnern sich an schöne Begegnungen, wenn Menschen auf Details achten. Komplimente sind ebenfalls Eisbrecher. Wenn negative Gegebenheiten überdeckt werden von Leichtigkeit und positiven Gesprächen, hilft es den Patienten seine Situation einfacher zu bewältigen. So wird Zeit gespart, indem man sich Zeit nimmt für den Patienten.

Ja, besonders die nonverbale Kommunikation ist sehr ausschlaggebend. In der Gesundheitsbranche sind die Akteure wie auf einer Bühne. Handlungen und die Haltung werden genau beobachtet. Man sollte sich bewusst machen, wie man wirken möchte und wie man wirkt durch seine Haltung und Artikulation.  

Die Sensibilisierung der Mitarbeiter auf die nonverbale Kommunikation ist relevant. Das Ziel ist nicht schöne Begegnungen und die Kommunikation sowie die Haltung zu standardisieren. Die Körpersprache wird ebenfalls immer individuell bewertet. Durch einen positiven Gesprächsstart wird die Kommunikation auf eine andere Ebene gehoben, die en Austausch für Mitarbeiter als auch den Kunden einfacher und positiver gestaltet. Gleichzeitig wird die Resilienz erhöht und die Motivation bei der Arbeit gesteigert.

Ja, unsere Workshops und die Inhalte respektive der Werkzeugkasten, der vermittelt und mitgegeben wird, wird allen Mitarbeitern angeboten. Gewisse Module werden als Pflichtmodule angeboten. Diese eignen sich besonders für Lehrlinge. Weitere Module werden Mitarbeitern auf freiwilliger Basis angeboten. Meine Module sollen keine Zwangsveranstaltung sein. Ich vergleiche unsere Klinik gerne wie Disney-World, quasi ein “Happy Place“ konfrontiert mit einem unangenehmen Ort. Wir möchten vor Allem schöne Begegnungen durch Qualität schaffen.

Ich höre oft, dass keine Zeit vorhanden ist, um Hobby-Butler zu spielen. Die Idee ist jedoch Werkzeuge mitzugeben, um den Alltag zu erleichtern. Meine 100%-Regel lautet, “ich kommuniziere nichts den Patientin oder der dem Patienten, worin ich mir nicht 100% sicher bin“. Diese Regel erleichtert sehr viel in der Kommunikation. Somit entstehen keine falschen oder mehrere Aussagen, die den Patienten und die Patientin verwirren könnten. Besser ist bei Unsicherheit das vorerst abzuklären und dann mit Sicherheit den Patienten zu begegnen.

Ergebnisse resultieren aus der Patienten- und der Mitarbeiterzufriedenheit. Durch die angenehme Atmosphäre wird Patienten- und Mitarbeiterloyalität erzeugt.

Wenn die Behandlung respektive Dienstleitung im Gesundheitswesen so betrachtet wird, als wäre es ein unvergessliches Erlebnis für den Patienten oder der Patientin und ich den Patienten/die Patientin auf seinem Weg begleiten darf, dann würde ich den Patienten und die Patientin als einen langen vermissten FreundInn sehen, der/die bei mir zu Besuch ist. 

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