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Martin Widmer – Warum es digitales Marketing im Gesundheitswesen braucht

32 Steuern Kommunikation Entwickeln Innovation Vertrieb Marketing Strategie Start-ups Pharma/Medtech Krankenversicherung Leistungerbringer Spitex Alters- und Pflegeheime Rehaeinrichtungen Arztpraxen Spitäler Digital Health: Innovationen und Trends Patientenzentrierung

Alfred Angerer und sein heutiger Gast kennen sich noch aus ihrer gemeinsamen Doktorandenzeit an der Universität St. Gallen. Seither sind knapp 20 Jahre vergangen, in denen Dr. Martin Widmer stets in den Bereichen Marketing und Technologie tätig war und unter anderem die Firma Equipe AG – eine digital zentrierten Marketing-Agentur – mitgründete, welche auch für Krankenkassen, MedTech-Unternehmen und die Pharma-Industrie arbeitet. Damit ist er idealer Experte, um sein Wissen rund um das Thema „Digitales Marketing im Gesundheitswesen“ in dieser Podcast-Episode zu teilen. Er stellt heraus, dass Marketing in der Welt der Gesundheit eine Patientenzentriertheit erreichen muss und gibt konkrete Beispiele aus der Welt von Pharma und MedTech, die dies veranschaulichen.
Hören Sie in diesen Podcast und erfahren Sie noch mehr.

Fragen und Antworten

Herr Dr. Widmer hat ein Marketingstudium in St. Gallen absolviert im Bereich Marketing und hat eine Marketingfirma namens “Equip“ gegründet. Insgesamt wurden von ihm fünf Unternehmen gegründet. Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Herr Dr. Widmer mit Technologie und Marketing.

Marketing betrifft die Vermarktung des Produktes, das heisst das Pricing und das Gestalten der Value Proposition sowie die Kommunikation.

Die Digitalisierung hat das Marketing tiefer in die Produktentwicklung gebracht. Marketing ist heute ein Teil von R&D. Die Marketingaspekte müssen früh überlegt werden. R&D ist im Gesundheitswesen sehr geschlossen zu betrachten. Beim Pricing definiert der Staat die Produkte, da die Preise reguliert und die Produkte bestimmt sind. Daher werden wenig Marketingaspekte zugelassen. Die digitalen Touchpoints im Gesundheitswesen gewinnen immer mehr an Bedeutung und werden zunehmend digitalisiert. Die Digitalisierung der Touch-Points ist jedoch schon eine längst überfällige Aufgabe, dessen sich die Marktplayer sehr widmen und das am wachsenden Markt gewinnt. Ein grosses Konkurrenzdenken gab es in diesen Bereichen bis jetzt noch nicht. Durch den stetig wachsenden Druck gewinnt jedoch auch immer mehr die Kundengewinnung für das eigene Produkt an Relevanz.

Die Softwarevermarktung z.B. verläuft komplett digital. Das liegt jedoch auch an den digitalen Produkten und den weniger vorhandenen physischen Touch-Points. Software Electronics machen ebenfalls gutes digitales Marketing. Ein Beispiel wäre Apple. Von der Kommunikation bis hin zu den App-Verkäufen läuft das Marketing digital ab. Weiterhin stellen E-Shops gute Beispiele dar, um den End-to-End-Verkauf anzuschauen. Amazon wurde in dieser hinsicht schon etwas überholt.

Amazon hat seinen Schwerpunkt auf Netzwerkeffekte und Preispower sowie Markteinkauf der Produkte gelegt. Taktische Markteintritte werden aufgekauft und so wird die Marktmacht beibehalten. Andere E-Shops sind im digitalen Marketing besser aufgestellt.

Das Marketing hilft den Endkäufer das Produkt zu verstehen.

Dienstleistungen und Produkte können sanfter und besser kommuniziert werden. Durch die Interprofession und dem langsamen Informationsfluss im Gesundheitswesen hat das Marketing eine integrative Aufgabe.

Touch-Points und die Patientenexperience können das Marketing verbessern. Durch die vielen Schnittstellen im Gesundheitswesen wirkt das Produkt undurchschaubar für den Kunden. In dieser Hinsicht kann das Marketing einen relevanten Mehrwert erzeugen.

Der Begriff ist schon über 20 Jahre alt. Die moderne Interpretation beinhaltet die digitale Kommunikation mit den Kunden. Das setzt die Produktkommunikation, die Education und die Begleitung vor und während des Produktkaufs voraus. Auch das Suchen und Finden beispielsweise der Dienstleistung von Google und Google-Maps sind digitale Marketingdienstleistungen. Digitales Marketing beinhaltet auch gut strukturierte Produktinformationen des Informationsprozesses. Auch die Q&A-Prozesse sind gerade im Gesundheitswesen sehr relevant bei der Gesprächsführung und der Dienstleistungsbegleitung. Weiter beinhaltet das digitale Marketing die Balance zu finden, die entsteht durch die Informationsasymmetrie zwischen medizinscher Dienstleistungsberatung und dem mündigen Patienten. Das Vernetzen der Dienstleistungen zu einem User-Experience das verständlich ist gehört ebenfalls dazu.

Es gibt stark rechtliche Einschränkungen des Marketings im Pharma- und Med-Tech-Bereich. Das Kommunizierte muss stets abgestummen und definiert sein. Mehr Möglichkeiten für das digitale Marketing ergeben sich bei den produktspezifischen Kommunikationsstrategien, die das Produkt aufklären, auffindbar und kaufbar machen. Die bereits bestehenden Prozesse, die auf ärztlicher und pharmazeutischer Ebene physisch laufen, können im Vornherein weitaus digital ablaufen. Je nach Regularien können Produktverfügbarkeiten und deren Wirkungsweisen aufgeklärt werden. Preisvergleiche im Internet werden relevanter. Die Liberalisierung des Medikamentenvertriebs beispielsweise hat eine digitale Welle des Medikamentenangebots ausgelöst. Rezepte können online eingelöst und Medikamente gekauft werden. Daher werden das digitale Marketing und der Produktvergleich hinsichtlich Preis-Leistung, Grösse und Verfügbarkeit in diesem Bereich sehr stark wachsen. Diese Aufgaben werden den Suchmaschinen wie Google hinzukommen.

Bei konsumentennahen Produkten im MedTech-Bereich wie z.B. im Insulinpumpenbereich sehen wir Verbesserungsbemühungen im Produktdesign, in der App-Strukturierung und der Anpassung der User-Experience, um das Produkt attraktiver und verständlicher für den Konsumenten zu gestalten.

Ein guter Ansatzpunkt hierbei ist das Eco-System bei der Produktkommunikation. MedTech-Produkte sind den staatlichen Regulatoren ausgesetzt. Daher bringen besonders die Informationen rund um das Produkt einen Mehrwert. Zum Beispiel beim Marketing vom Insulinpumpen geht es um zentrale Fragen des Kunden: “Wie kann ich Leben mit der Krankheit? Ernährung während Leistungssport? Ernährung und während länderspezifischer Reisen?“ Das kundenzentrierte Vorgehen beinhaltet die gesamte Problembehandlung, sowie das Schaffen von Möglichkeiten, um Fragen zu stellen. Dabei wird das gleiche Produkt durch eine bessere Experience individuell angepasst.

Der Entscheid eines Produktkaufs geschieht meist während einer turbulenten Krankheitsphase, bei der die Patienten informiert und aufgeklärt werden möchten. Dazu braucht es Informationen zur Handhabung, das Aufklären von Problemen und Lösungen, die mit der Krankheit und der Gerätenutzung auftreten können. Somit ist die Produktwahrnehmung des Patienten besser gegeben. Das digitale Marketing ist ein Investment in Aufklärung und Information, das einen sehr hohen Mehrwert bietet. Studien zeigen, dass eine gekaufte Insulinpumpe ca. 20 Jahre lang benutzt wird. Der mündige Patient und die mündige Patientin will nebst der Beratung von Spezialisten sich selbst informieren können und wissen wie die Produkte einzusetzen sind, um dadurch bei der Entscheidungsfindung unterstützt zu werden.

Die Eigendiagnose läuft bereits in bestimmten Zielgruppen schon sehr weit. Patienten informieren sich vor der Kaufentscheidung und Beratung im Vorneherein. Die Auswahl der Produkte ist vielfältig, da es Originalprodukte, Naturprodukte und Generika gibt. Durch digitales Marketing resp. verständliche Produktinformationen, die im Netz bereitgestellt werden und gut zu finden sind, kann ein erheblicher Einfluss auf den Umsatz generiert werden.

Angefangen wird mit der Website zum Produkt. Dabei sind die Daten so aufzubereiten, dass das Produkt vergleichbar dargestellt wird.  Auch der Beipackzettel muss erklärt und kundenorientiert gestaltet werden. Weiter muss das Produkt auffindbar sein durch geeignete Schlagwörter und die Wirkungsweise muss in Studien belegbar sein. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss ich meine Zielgruppe kennen und die digitale Beratung demnach anpassen. Das Q&A ist ein wichtiges Element des digitalen Marketings. Auch das aktive Bewerben des Produkts zum richtigen Zeitpunkt kann erfolgreich gestaltet werden.

Diese Branche leistet sich momentan noch diese hohen Kosten der Vertreter. Diese Art von Marketing ist sehr ineffizient, da der Konsument das Marketing mitfinanziert. Wenn die Vergleichbarkeit und die Konkurrenz nicht sichtbar sind, muss die Produktinformation auch nicht digital aufbereitet werden. Mit der Liberalisierung des Medikamentenvertriebs und der Preispolitik ausländischer Medikamentenhersteller wird der Druck auf Pharmafirmen jedoch höher. Die Digitalisierung ist sehr viel kosteneffizienter als das physische Marketing durch Pharmavertreter. Das Problem der Pharmavertreter ist meist gegeben in nicht regulierten und ineffizienten Märkten. Hierbei befinden wir uns genau in dem Spannungsfeld und werden in den nächsten Jahren ein Pendel zum freien Markt erleben.

Data Health ist nicht nur im digitalen Marketing zu Hause. Es hilft das Produkt zu individualisieren, auf den Kunden auszurichten und relevanter und effizienter zu gestalten. Von daher ist digitales Marketing ein wichtiger Teil bei der Produktentwicklung. Durch Big Data können die Bedürfnisse der Patienten besser verstanden und erreicht werden. Noch genauere Datensammlungen einer Zielgruppe können das Produkt spezifischer ausrichten lassen.

Die Erreichbarkeit der Ärzte ist in der Tat eine schwierige Angelegenheit, da sie in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt sind durch Regulatoren. Das Verhalten der Ärzte wird gesteuert von Studien und offiziellen Informationen und nicht von Marktverhalten und Patientenbedürfnissen. Das Digitalisieren der Patientenbegleitung der Ärzte würde jedoch einen starken Beitrag leisten. Das Transparentmachen der asymmetrischen Information durch Aufklärung von Operationsdauer, Komplikationen, Schmerzmanagement und Aufenthaltsdauert etc. würde das Planen der Patienten und Patientinnen erleichtern.

Die Effizienz solcher Anrufe ist nicht gegeben. Daten werden an Callcenter und Vermittler verkauft, da das Kleingedruckte nicht gelesen wurde. Erfahrungsgemäss hat jede Versicherung eine andere funktionierende Mechanik. Einige Versicherungen betreiben mehr Marketing in den Kantonen, in denen sie günstiger sind durch den Risikoausgleich und einige betreiben ihr Marketing jedes Jahr gleich. Andere Krankenkassen betreiben halblegale Mechanismen und kaufen Daten ein, um über Anrufe Kunden abzugewinnen. Diese Graubereiche des Marketings hat es jedoch schon immer gegeben.

Die Automatisierung braucht grundsätzlich einen digitalen Prozess. Wenn der Kundenprozess nicht digitalisiert und abrufbar ist, kann kein automatisierter individueller Kundenkontakt hergestellt werden.

Erst wenn der Kundenprozess digital zur Verfügung steht, kann automatisierend gearbeitet werden. Bei Kundeninteresse kann somit der Verkauf vollständig automatisiert ablaufen. Die Preisinformation, das Kundeninteresse und die Kaufentscheidung werden im besten Fall automatisiert. Die Automatisierungsinvestition kann jedoch nur über Skalenerträge finanziert werden. Für ein besseres Kundenverständnis braucht es eine gewisse Datensammlung der Kunden, die automatisch gesammelt werden

Das Datenschutzgesetz vom Jahr 2018 besagt, dass Daten nur noch mit Kundenerlaubnis vergeben werden dürfen. Das Erlaubnis des Kunden für die Verwendung seiner Daten muss eingeholt werden durch die Aufklärung wozu die Daten benötigt werden. Nach Interessensoffenbarung des Kunden können somit Kundendaten gesammelt werden und die Bedürfnisse ermittelt werden. Ebenfalls können Key Words in Suchmaschinen gekauft oder eingesetzt werden, um Kundenkontakt herzustellen. Sobald ein Kundenkontakt hergestellt ist, können weitere studienrelevante Fragen gestellt und somit Daten erfasst werden. Ein interaktiver Prozess generiert Daten und die Zufriedenheit der Kunden.

App-Based-Healthcare beschreiben die Gesundheits-Apps, für Fitnesszwecke, zum Zweck einer gesunden Ernährung, Zyklusberechnungen, Schlafzyklusberechnungen usw. anbieten. Die früheren bzw. traditionelleren Medizinlabore verlieren in diesen Bereichen Kunden. Die Usability übernimmt diesen Markt vermehrt. Der Qualität wird weniger Beachtung geschenkt jedoch vermehrt der Einfachheit in der Nutzung. Die Selfcare-Medizin beschreibt die Medizinprodukte, die selbst angewendet werden können. Diese Art von Produkten ist jedoch kritisch in der Diskussion. Das Kundenbedürfnis und das Interesse sind jedoch vorhanden. Das Spannungsfeld von der traditionellen Herangehensweise und dem modernen Kundenbedürfnis erlaubt dem Marketing ein neues Feld zu bedienen.

Der Markt der technischen Medizinprodukte wächst. Dies wird ein Druck auf das Gesundheitswesen ausüben, indem Kundenbedürfnisse geschaffen werden. Dies erfordert eine Anstrengung des Gesundheitswesens, um die Kontrolle der Beratungsfunktion nicht zu verlieren, um dem modernen Kundenbedürfnis gerecht zu werden. Der medizinische Konsum der jüngeren Generation ist auch durch Corona am Anrollen. Die Digitalisierung wird dabei helfen Kunden zu beraten und Bedürfnisse zu decken.

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