Prof. Dr. Jana Wolf ist Professorin an der Hochschule Aalen für BWL. Gemeinsam mit Alfred Angerer spricht sie über moderne Führung im Gesundheitswesen. Sie profitiert von ihrer mehrjährigen Arbeit im Silicon Valley und ihren Erfahrungen aus der Lehre und Beratung. Frau Wolf erläutert u.a., wie man als Spital ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt, was sich auf den Mitarbeiterzuwachs, -erhalt und auch die Patientenzufriedenheit auswirkt.
Fragen und Antworten
- Frau Wolf hat viele prägende Jahre in den USA im Sillicon Valley verbracht. Dies prägt in vielerlei Hinsicht Ihre Sichtweise auf Führung in Medizintechnik, Biotechnologie, Pharma und darüber hinaus.
- Frau Wolf sieht zunehmend das Zusammenspiel von effizienten Prozessen und Menschlichkeit als grösste Herausforderung, in Hinsicht auf die Balance privater und beruflicher Interessen.
- Frau Wolf freut sich auf den Austausch mit Herr Angerer und anderen Entscheidungsträgern, die Interesse daran haben sich mit Führungsthemen auseinander zu setzen.
Frau Wolf legt sich aus eigener Erfahrung aus dem Master in Aalen fest, dass der fiktive Fall zahlreich vorkommt. Im Master gäbe es viele berufsbegleitende Studenten und Studentinnen, die genau in dieser Situation sind, ohne entsprechendem Instrumentarium in eine Führungsposition gebracht zu werden. Studenten und Studentinnen kommen an die Hochschule Aalen, um die fehlenden Kompetenzen auszubilden.
Es kommt es darauf an, welche Motivation darinstünde, Auszubildende ohne Führungskompetenzen auszubilden. Eine Möglichkeit sei, dass die Mitarbeiter leichter sind zu steuern. Grundsätzlich findet Frau Wolf aber, dass Führungskompetenzen jedem helfen, auch den geführten, denn man muss auch das Führen nach oben ausüben.
«Das wage ich zu bezweifeln». Es sei zunehmend so, dass Führungskräfte und Administrationen in Krankenhäusern und anderen Institutionen im Gesundheitswesen das differenzierter sehen. Dies, aus diesem Grund, weil es im Gesundheitswesen Fachkräftemangel gibt und die Institutionen vor grossen Herausforderungen stehen die richtigen Leute an der richtigen Stelle zu einzustellen.
Frau Wolf hört von Kollegen und Fachkräften aus dem Gesundheitswesen, dass es häufig noch in alten Strukturen läuft. Es gäbe aber Veränderungen gerade in führenden Häusern, die versuchen sich von der breiten Masse abzuheben. Denn der Führungsstil im Haus wirkt sich auch auf das Miteinander mit den Patienten aus. Grundsätzliche gäbe es aber weiterhin Verbesserungspotential. Interne Machtkämpfe innerhalb der Hierarchien in der Pflege und in der Ärzteschaft mit der Administration sind grosse Probleme, die es noch zu lösen gilt.
- Der Führungsstil und die Unternehmenskultur in Unternehmen wirken sich auf das Miteinander vor dem Patienten und das Verhalten gegenüber dem Patienten aus.
- Kompetente Fachkräfte sind Mangelware, viele wandern ins Ausland ab. Folglich werden zunehmend Fachkräfte und auch Spezialisten und Spezialistinnen gesucht. Gerade Spezialisten, die es sich aussuchen können, wohin sie gehen, wählen Häuser, in denen sie sauber geführt werden, menschlich auf Augenhöhe beachtet werden und die Möglichkeit erhalten sich weiterzubilden
Frau Wolf glaubt, dass sich ein Wandel vollzieht, das sähe sie auch an ihren Studierenden. Wenn man mit der Maslow Pyramide arbeiten möchte, dann sind die unteren Stufen der Pyramide, Grundbedürfnisse, die für die neue Generation im Überfluss vorhanden sind. Vielmehr befinden sie sich auf den oberen Stufen der Bedürfnispyramide, was ist mein Beitrag in dieser Welt, wie kann ich mich besser ausdrücken? Ein Szenario in der heutigen Zeit, indem sich eine Generation zurück auf Stufen der Grundbedürfnisse befindet, sei aber dennoch denkbar.
Es wird wichtig und zentral bleiben, dass die Führungskraft in ihren Aufgaben kompetent ist und die Kompetenz auch ausstrahlt, in dem sie unter anderem auch Wissen an Ihre Mitarbeiter weitergibt. Es stellt sich aber die Frage, ob die Kommunikation von oben herab oder auf Augenhöhe stattfindet und wie weit man als Mitarbeiter sein Mitspracherecht ausüben darf.
Es geht nicht darum weich und lange mit dem Mitarbeiter zu reden. Sondern es geht darum, klar in der Sache und in den Strukturen zu sein und dass sich das Gegenüber mit ihren Ängsten und Sorgen wahrgenommen fühlt. Diese Art der Kommunikation führt zu wenigen Fehlern und zu mehr Verständnis für Arbeitsprozesse im Arbeitsalltag.
Gerade in einer Notsituation, wenn die Führungskraft bestimmend ihre Mitarbeiter auffordert gewisse Aufgaben mit einem gewissen Druck zu erfüllen, können die Reaktionen darauf stark abweichen. Ist im Moment der Notsituation die Führungskraft als kompetent bekannt, schalten die Mitarbeiter schnell und erkennen die ernste Lage. Wenn es um Zeit und Menschenleben im Operationssaal geht, kann man keine grossen Diskussionen anfangen aber die Vorbereitung auf die Operation kann durchaus kooperativ gestaltet werden.
Zu Beginn muss sich jeder selbst besser kennen lernen, seine eigenen Stärken kennen, sich mit seiner Person beschäftigen und sich überlegen, welcher Führungsstil zu einem passt. Führungsstile gibt es viele aber die Herausforderung ist es, herauszufinden in welchem System man sich wohlfühlt und am besten funktioniert.
Eine der Ansätze in Richtung transformationaler Führung, die zurzeit viel diskutiert wird, ist «Servant Leadership». Bei diesem Ansatz sieht sich die Führungskraft als die Person, die es ihren Mitarbeiter möglich macht, ihr potential bestmöglich zu entfalten. Bereits vor tausenden von Jahren war dieser Führungsstil in China präsent und ist in den 70er Jahren im Westen wieder aufgetaucht.
Das ist durchaus provokativ. Andererseits glaubt Frau Wolf, dass die guten und kompetenten Führungskräfte es als eine ihrer Aufgaben sehen, der Mitarbeiterschaft gute Voraussetzungen zu bieten, Frau Wolf glaubt nicht, dass es den klassischen, guten Führungskräften widerspricht, vielmehr sei das Problem, dass einige ihrem Führungsstil oder Ihrer Rolle als Führungskraft noch nicht ganz sicher sind.
Es lohnt sich, sich über verschiedene Instrumente zu informieren und darüber zu lesen, ob es Ansätze in Führungsstilen gibt, die einen persönlich ansprechen aber auch zu der Mitarbeiterschaft passt. Dabei ist es auch wichtig sich selbst zu trauen etwas Neues zu probieren und sich Feedback bei den Mitarbeiterschaft im Team zu holen. Dazu gehört, dass man gewillt ist die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu fragen, was sie von «mir als Führungskraft» benötigen. Nur wenn ich weiss, wie ich meine Mitarbeiter motivieren kann und dies verinnerliche, kann ich die bestmöglichen Voraussetzungen dafür schaffen.
Theoretisch ist es möglich Ansätze aus einem Kurs zu verinnerlichen aber so einfach ist es in der Praxis nicht, denn die Umsetzung gestaltet sich eher schwieriger. In einem ersten Schritt ist es wichtig vom Ansatz überzeugt zu sein, an eine positive Entwicklung zu glauben und motiviert zu sein diesen Führungsstil umzusetzen. Erst dann lohnt es sich diesen Führungsstil im Team auszuprobieren.
Man kann es probieren aber in den meisten Fällen wäre dies eine Form der Bevormundung. Frau Wolf kommt wieder darauf zu sprechen, dass die Führungskraft selbst gewillt und motiviert sein müsse, diesen Schritt zu machen.
Frau Wolf schlägt denjenigen vor, die das Gefühl haben, sie kämen mit der Führungskraft nicht zurecht, dass sie nicht von oben herab versuchen zu kommunizieren, sondern vielmehr den Dialog suchen und die richtigen Fragen stellen. Dabei hilf es sich in die Schuhe des anderen zu setzen und sich zu fragen, was für einen Druck oder Stress die Person im Moment erlebt, dass sie sich so verhält.
Dies sei gut nachvollziehbar, denn Frau Wolf ging es in ihrem Job in der Industrie auch so, mind. 10 Stunden am Tag arbeiten und keine Kapazitäten für an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu denken.
Letztendlich hat Frau Wolf festgestellt, dass kurzfristige Investitionen für die Zusammenarbeit und die Führung von Mitarbeitern sich mittel bis langfristig auszahlen. Dies sei vergleichbar mit Lean-Management, denn auch in diesem Bereich braucht es eine Gewöhnungs- und Anpassungsphase für Veränderungen in einem Prozess, bevor sich die Investition auszahlt.
Es hängt von der Situation ab. Normalerweise ist es aber sinnvoll mit einem Pilotprojekt zu starten. Denn mit einer Investition kommen Veränderungen dazu, gleichermassen die Fehler, die man im Prozess begeht. Es ist wichtig, dass ein gewisser Spielraum gegeben ist und, dass Mitarbeiter eingeschlossen werden, die offen und kooperativ kommunizieren. Dabei sind kritische Äusserungen und konstruktives Feedback für die grosse Veränderung in der Unternehmenskultur von grosser Bedeutung.
Ein häufiger Fehler sei, dass eine Person denkt, sie müsse oder könne den Prozess der Veränderung allein durchgehen. Ein weiterer Fehler oder vielmehr ein Problem, sind Machpromotoren bei der Direktion aber auch bei Chefärzten und Chefärztinnen in einem Spital, die aufgrund ihrer Spezialisierung einen grossen Machteinfluss haben. Daraus resultiert die Notwendigkeit Machstrukturen im Unternehmen zu überprüfen und diese bei Bedarf auszuloten. Für eine erfolgreiche Veränderung müssen die richtigen Fachkräfte an einen Tisch gesetzt werden, die der Direktion mit ihrer Expertise helfen können.
In der Lehre und in der Praxis mit den Studierenden benutzt Frau Wolf häufig den klassischen Ansatz in acht Stufen von John Kotter (ehemaliger Leadership Professor in Harvard). Dabei geht es in einem ersten Schritt darum eine Vision festzulegen, warum man etwas macht. Danach kommt die Überlegung, wen man mit ins Boot zieht, und darauffolgend die Ausarbeitung der Vision und Strategie.
Ein Klassiker ist, dass jemand im Unternehmen eine großartige Idee hat und diese Idee in möglichst kurzer Zeit implementieren möchte. Demgegenüber sagt Herr Kotter, dass ein wirklicher Veränderungsprozess auf der Ebene der Unternehmenskultur acht Jahre daure.
Es ist möglich, dass ein zu hoher Druck das Gegenteilige bewirkt. Wenn man die Theorie, wie Veränderung stattfindet, anschaut, gibt es die von aussen notwendig gewordenen Veränderungen, bei denen man Vermeidungsziele hat. Beispielsweise ist man gewillt Probleme wie schlechte Qualitätszahlen oder die Fluktuation in der Pflege zu beseitigen. Vielmehr sollte aber das Ziel sein, in Richtung von Gestaltungszielen hinzuarbeiten und proaktiver zu werden, um die Vision stets im Auge zu behalten.
Macht hat das Potential für und die Verführung von Machtmissbrauch. Man muss bewusst und unbewusst für sich selbst sicherstellen, dass man seine Macht ausspielt oder auch durch die Machtposition in eine schlechtere Entscheidungsposition kommt. Dazu erörtert Frau Wolf ein Beispiel. Eine Direktorin interessiert sich dafür, wie es mit dem Veränderungsprozess voran geht und erkundigt sich bei einer seiner Krankenschwestern auf dem Gang. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankenschwester den Prozess kritisch in Frage stellt, ist dabei gering, weil sie im Hintergedanken ihre Konsequenzen abwägt. Eine bessere Möglichkeit wäre, eine externe Person mit ins Boot zu nehmen und den Dialog zu suchen.
Dieser Widerstand ist ein Klassiker und der übliche Grund dafür ist die fehlende Zeit. Es läge aber nicht an einem Unternehmen, sondern eher am grundsätzlichen Widerstand für Veränderung. Frau Wolf nennt verschiedene Faktoren, die einen Einfluss haben. Einerseits ist Veränderung immer unangenehm, dass lässt sich auch mit privaten Situationen vergleichen und andererseits haben einige Führungskräfte gescheiterte Interventionen für Veränderung miterlebt und sind dadurch gebrannt.
Dem stimmt Frau Wolf zu und diese Unwilligkeit gegenüber Veränderungen konnte man bereits in Führungsbüchern aus den 90er Jahren nachlesen. Es sei darum wichtig, individuell auf Personen einzugehen, ihre Bedürfnisse erkennt, aber auch selbst zugesteht Ängste vor Veränderungen zu haben. Diese ganzheitliche Wahrnehmung einer Person ist wichtig und ist ein Bedürfnis vieler. Ängste können schlussendlich in etwas Positives umgewandelt werden, vorausgesetzt die Sorge ist bekannt und man hatte die Möglichkeit sich damit auseinander zu setzen.
Frau Wolf weicht aufgrund vom disclosure Problem etwas ab und nennt zwei Beschleunigungsfaktoren für Veränderung.
- Einer der Faktoren ist der Druck von aussen der zu gross wird und somit das Unternehmen so weit in Gefahr bringt, dass neue Strategien für die Zukunft entwickelt werden müssen. Frau Wolf hat grosse Veränderungen gesehen, wenn der Druck zu gross wurde und anschliessend innovative Köpfe sich zusammentaten
- Ein weiterer Treiber könnte ein Generationenwechsel sein. Frau Wolf spricht von denjenigen, die keine Angst haben ihre Macht zu verlieren und keine Angst haben den Status-quo durch eine Veränderung kaputt zu machen. Grundsätzlich habe man bei einem Machtwechsel im Team, immer eine gute Chance Prozesse erfolgreich zu verändern.
«Erstmals tief durchatmen, Rom wurde nicht in einem Tag gebaut.» Es ist ein immerwährender Prozess, indem das Unternehmen aber auch als Individuum stetig lernt. Dann ist es wichtig ein kompetentes Netzwerk aufzubauen, die mit ihrem Wissen sie selbst als Führungskraft ergänzt. Dabei braucht es Leute, die sie einerseits fordern und fördern und andererseits unangenehme Themen aussprechen und kritisch beurteilen.
Ein weiterer Ratschlag ist, dass man den Mut haben soll sich den Herausforderungen zu stellen. Je früher man sich traut kleine Veränderungen vorzunehmen, desto mehr Kompetenz und mehr Selbstvertrauen entwickelt man in dem Bereich und desto einfacher wird es grössere Probleme anzugehen.
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