In dieser Folge ist Alfred Angerer wieder im Gespräch mit dem Digital Manager der Schulthess Klinik, Stefan Lienhard. Die beiden stellen sich die Frage wie viel digitale Kompetenzen das Gesundheitspersonal heute schon hat und auch für die Zukunft noch benötigen wird. Das Erlernen der digitalen Fähigkeiten muss zunehmend in die Ausbildung des Gesundheitspersonals eingebaut werden. Gemeinsam schlüsseln die beiden auf, welche Digital Skills es wirklich braucht.
Die drei erwähnten Papers sind:
- Moloney, Clint and Farley, Helen (2015) Digital skills in healthcare practice. In: Building professional nursing communication. Cambridge University Press, Port Melbourne, Australia, pp. 155-181. ISBN 978-1-107-47046-0
- Morrison, Ciarán and Rooney, Laura (2017) Digital Skills for Health Professionals. [Report]. strathprints.strath.ac.uk/64302/
- Rasnacs, O., & Vitins, M. (2018). Opportunities to Improve the Digital Skills of Health Care Specialists. 88–93. doi.org/10.22616/REEP.2018.010
Fragen und Antworten
Herr Lienhard mag sich gut daran erinnern. Es war zu dieser Zeit noch schwierig einzuordnen was auf uns zu kommt und wie ernst man diesen Wandel nehmen soll. Ein Kommilitone hatte als einziger in Herr Lienhards Klasse ein Computer zu Hause und es war jedes Mal ein Erlebnis bei ihm eingeladen zu werden.
Je nach Berufsgruppen unterscheidet sich der Einsatz von digitalen Mitteln. Im Bereich der Physiotherapie kommt das Tablet für das Zeigen von Übungen oder das Messen von Daten schon länger zur Anwendung.
Das Klinikinformationssystem, das in den meisten Spitälern zum Einsatz kommt, ist ein weiteres digitales System, das zur Aufbewahrung von Patientendaten über alle Abteilungen in der Klinik dient. Die Tendenz ist, dass die Mitarbeiter immer mehr mit digitalen Anwendungen spezifisch für ihre Abteilung in Berührung kommen.
Als Orthopädieklinik ist die Schulthess Klinik im Bereich der Radiologie, betreffend Digitalisierung, sehr fortgeschritten. Akteure in diesem Bereich haben bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass in der Zukunft Technologien zum Einsatz kommen werden, die ihre Arbeit erleichtert. Ein fortschrittlicher Einsatz ist auch im Bereich der Physiotherapie zu erkennen. Herr Lienhard erlebt die Mitarbeiterschaft aus der Physiotherapie als sehr aufgeschlossen gegenüber digitalen Anwendungen.
Theoretisch ist die Begründung, um so besser das Dokumentenmanagement, um so höher der Qualitätsoutput für Herr Lienhard nachvollziehbar. Er sieht den Vorteil darin, dass durch das Tragen von Wearables, verschiedene Vitalwerte präziser gemessen werden könnten.
Die aktuelle Coronavirus-Situation bietet dafür ein gutes Beispiel. Viele Spitäler und Institutionen werden dazu gezwungen, neue Angebote für ihre Mitarbeiter zu gestalten, um die Arbeit von zu Hause zu ermöglichen. Plötzlich ist die ortsunabhängige Ausführung der Arbeit und der bilaterale Austausch von Informationen und Dokumenten über eine digitale Plattform zur Normalität geworden. In einer solchen Situation ist es wichtig, dass die Informatik die tägliche Arbeit gewährleistet und Barrieren für die Nutzung digitaler Anwendungen für die Mitarbeiter beseitigt. Herr Lienhard ist fest davon überzeugt, dass kein grosses Schulungsangebot nötig ist. Denn die Leute eignen sich ihr Wissen generell schnell an. Ein Grund dafür ist die Entwicklung von Programmen, Benutzeroberflächen sind tendenziell einfacher und benutzerfreundlicher gestaltet.
Diese Kompetenz müssen sie zwingend haben, unabhängig davon, ob der Austausch offline oder online stattfindet. Die Kommunikation zwischen den medizinischen Fachpersonen und den Patienten wird durch die stetig bessere Aufklärung der Patienten immer wichtiger.
Grundsätzlich helfen diese Kompetenzen bestimmt. Allerdings entwickeln sich in grossen Spitälern aus den Kompetenzen der Datenanalyse spezialisierte Abteilungen. Aus Herr Lienhards Sicht ist es darum wichtig ein Grundverständnis mitzubringen aber der Fokus würde er nicht daraufsetzen.
Generell ist Datenschutz und Datensicherheit ein riesiges Thema in Spitälern. Hier lohnt es sich viel Zeit zu investieren, um sich Wissen diesem Bereich anzueignen. Die Einführung des Patientendossier verlangt bereits ein gewisses Grundverständnis bei den medizinischen Fachkräften aber auch bei den Patienten und Patientinnen.
Die Entwicklung im privaten Bereich ist sehr wichtig. Für junge Menschen, die mit diesen Technologien früh in Kontakt gekommen sind, ist die Barriere relativ niedrig. Für Herr Lienhard ist es vorstellbar, dass Sprachassistenten und smarte Geräte zuerst im privaten Bereich getestet werden und zu einem späteren Zeitpunkt die Anwendung in Spitäler findet. Dieser Transfer ermöglicht es vielen Menschen mit der Entwicklung im Arbeitsumfeld mitzuhalten.
Es ist sinnvoll, dass zukünftige Entwicklungen aus der Zusammenarbeit entstehen und Inputs von Fachkräften berücksichtigt werden.
An dieser Stelle fragt sich Herr Lienhard, ob Gesundheitsfachleute Kompetenzen im Bereich Informatik haben sollten, um selbst Codes zu ändern oder, ob es wichtiger ist zu wissen, wie und was das Produkt sein soll.
Herr Angerer stellt fest, dass Herr Lienhard genau diese Frage in einer Umfrage gestellt hat und ergänzt aus seinen Bemühungen zum Thema Künstliche Intelligenz. Herr Angerer ist der Auffassung, dass die Anwendung und das Verständnis gegenüber komplexen Geräten und Programmen aktuell wichtig sind. Das klassische Programmieren wie man es heute kennt, ist für Gesundheitsfachleute zu komplex. In der Zukunft ist es denkbar, dass Programmieren intuitiver wird und, dass der Prozess durch das Zusammenstecken von Modulen und die natürliche Übertragung in ein Programm vereinfacht wird.
Aus der Umfrage kam heraus, dass es wichtig ist den Leuten früh den Mehrwert von Technologie aufzuzeigen und folglich ein Grundverständnis dafür aufzubauen. Gerade Datenschutz, Datensicherheit und Datenspeicherung gehören zu den Grundwerkzeugen der Digitalisierung, weil sie zentral sind und die ganze Thematik umschliessen.
Aus dem Bereich der Informatik kam auch eine Aussage, dass digitalaffine Leute zum Teil Anforderungen an Systeme stellen, an denen sie selbst als Fachleute an die Grenzen ihrer Kompetenzen kommen.
Generell braucht man heute überall digitale Skills, nur wenige Branchen werden vom digitalen Wandel verschont. Einerseits ist das Grundverständnis über Technologien wichtig und andererseits braucht es Flexibilität, um mit dem Kulturwandel Schritt zu halten. Offenheit seitens der Arbeiterschaft gegenüber neuen Veränderungen, hilft den technologischen Wandel mitzugehen und den auch zu bewältigen.
Es gilt nicht diesen digitalen Wandel schön zu reden. Um so mehr ist die Kommunikation mit den Mitarbeitern wichtig, um ihnen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sich mit der Digitalisierung für sie selbst aber auch für das Unternehmen ergeben. Herr Lienhard ist sich bewusst, dass es bei vielen Mitarbeitern ein heikles Thema ist, wenn es darum geht jemanden zu ersetzen. Darum sind die Häuser angehalten den Mitarbeitern möglichst früh Alternativen und folglich Lösungen zu bieten.
Herr Lienhard hat betreffend Aufgeschlossenheit gegenüber Technologien schon vieles erlebt und denkt, dass es eher abhängig vom Individuum ist. Über alle Berufsgruppen hinweg gibt es Leute, die weniger Berührungsängste haben und eine Veränderung als eine Chance sehen etwas Neues zu lernen. Grundsätzlich erlebt Herr Lienhard die Mitarbeiter in der Schulthess Klinik als sehr aufgeschlossen, weil sie ein Teil der schnell vorangehenden, medizinischen Entwicklung sind. Er glaubt, dass die Arbeiterschaft im Gesundheitswesen durch die stetige Entwicklung anderen Branchen voraus ist.
Herr Lienhard ist grundsätzlich der Meinung, dass die Ärzte und Ärztinnen in der Schulthess Klinik besser gestimmt sind. Er sieht es als seine Aufgabe den Leuten potenzielle Mehrwerte aufzuzeigen und sie durch Nutzenvergleiche zu überzeugen. Es ist darum wichtig mit den Leuten das Gespräch zu suchen und sie bei digitalen Themen zu unterstützen. Herr Lienhard denkt, dass man in der Schulthess Klinik bereits Erfolge erzielen konnte und die Leute darum etwas aufgeschlossener sind.
Herr Lienhard stimmt dem zu und denkt, dass es von jedem dieser vier Bereiche Kompetenzen braucht. Agilität und Flexibilität sind unabdinglich, wenn es um die Digitalisierung geht, das ist auch in vielen Studien nachzulesen. Man sagt heutzutage, dass die Stärke eines Unternehmens an deren Agilität und Innovationskraft gemessen wird.
An dieser Stelle erwähnt Herr Lienhard zusätzlich die Bedeutung von Social Skills als Führungskompetenz in Bezug auf die kulturelle Begleitung.
Gute Führungskräfte haben auch Wissenslücken und stehen zu denen. Es ist nicht möglich in allen Bereichen besser zu sein als das Team. Das ist auch richtig so, denn Fachkräfte sollten in erster Linie Freiräume schaffen, um die Entfaltung fachlicher Kompetenzen im Team zu ermöglichen.
Herr Lienhard würde sich als Digital Manager wünschen, dass das Thema Digital Health nicht erst aktuell wird, wenn der Druck zu hoch wird. Das Thema Digitalisierung soll möglichst früh und proaktiv angegangen werden. Es geht, um einen digitalen Wandel, der langfristige Lösungen über das Ganze Gesundheitssystem verlangt.
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