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Ben Talin – Die digitale Transformation

15 Entwickeln Innovation Forschung Strategie Start-ups Leistungerbringer Spitex Alters- und Pflegeheime Rehaeinrichtungen Arztpraxen Spitäler Digital Health: Innovationen und Trends

Benjamin Talin betreibt die Wissensplattform morethandigital.info und ist ein Spezialist für digitale Transformation. Als internationaler Keynote-Speaker und Berater treibt er die Digitalisierung voran. Seine Vision ist es, Digitalisierungsthemen auch für den Laien verständlich zu machen. Gemeinsam mit Alfred Angerer spricht er über die Kraft der Digitalisierung und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Gesundheitswesen.

Fragen und Antworten

Herr Talins Grundmission ist es, die Digitalisierung für die Leute zugänglich zu machen und sie dafür zu begeistern.

Digitalisierung heisst bestehendes zu hinterfragen und Themen anhand neuer Möglichkeiten erneut zu betrachten.

Es gab solche Momente, die auch längerfristig anhielten. Ein solches Beispiel ist grundsätzlich das Verständnis der Digitalisierung und die digitale Transformation beim Publikum. Es sei darum wichtig nicht direkt von Spezialwissen aus der Technologie zu sprechen, sondern Probleme von Grund aus zu betrachten, um den Leuten eine Möglichkeit zu geben die Grundlagen der Technologie zu verstehen.

Die Grundidee war es Spezialwissen verständlich für Jedermann zur Verfügung zu stellen. Jeder soll die Möglichkeit haben, wie bei Wikipedia, sich Grundwissen über Technologie anzueignen. Dabei ist die Motivation, dass man sich fünf Minuten mit einem Thema auseinandersetzt, und man hat es verstanden.

Die Präsentation von einfachen Themen auf der Plattform hat einen hohen Zuspruch erhalten, weil es einen einfachen und verständlichen Einstieg in die Welt der Technologie bietet. Dieser Einstieg ist wichtig, um die abstrakten Begriffe, die man täglich liest, Schritt für Schritt zu verstehen. Zusätzlich hat niemand Lust einen Wikipediatext von 180 Seiten über Technologie zu lesen.

Herr Talin meint, es sei durchaus ein Bedürfnis in der Gesellschaft. Dies bekräftigen auch viele Studien über die Fortschritte der Digitalisierung in KMU’s. 75-90% der KMU’s, je nach Definition, haben noch nicht begonnen die Digitalisierung in ihrem Unternehmen zu berücksichtigen.

Zusätzlich sei aber das Grundverständnis vor der Anwendung entscheidend, um auch Ängste gegenüber beispielsweise AI zu beseitigen. Wenige wissen was diese Technologie genau ist oder wie sie genau funktioniert. Künstliche Intelligenz sei dabei nicht der passendste Begriff, denn die Anwendung funktioniert durch die Fütterung von Daten in das System.

Es gibt den Disruptionsindex der besagt, welche Branchen am meisten disruptiert sind. Zum Beispiel ist es die Musikindustrie und der Zugang von Nachrichten, die sich stark und schnell entwickelt haben. Andere Branchen sind aufgrund von Investitionszyklen und der Herausforderung die Digitalisierung sinnvoll zu implementieren träger. Herr Talin ist überzeugt, dass es im Digital Health Bereich noch viele Lücken gibt aber das Potential vorhanden sei. Zusätzlich kommt dazu, dass grosse Firmen wie Google und Apple im Gesundheitswesen mitmischen wollen. Dies sei besonders im Hinblick auf die Datensicherheit kritisch zu betrachten.

Es ist schwierig solche Drohszenarien zu betrachten, aber es sei ein realistisches Szenario. Denn es werden bereits enorm viele Daten durch smarte Anwendungen generiert und folglich durch die grossen Unternehmen ausgewertet. Darum sollte man im Gesundheitswesen mehr auf die Positivität der Datengenerierung Wert legen, denn das Potential liegt grundlegend in den Daten. Herr Talin spricht auch über die fehlende Zusammenführung von landesübergreifenden Daten zum Beispiel in Europa. Mit einem grösseren Pool an Daten hätte man die Möglichkeit einerseits die Gesundheit und andererseits die Früherkennung von Krankheiten besser zu fördern.

Die Problematik ist, dass 90% der Leute glücklich sind, wenn sie die Prozesse so weit optimieren, dass sie ihren alltäglichen Job effizient ausführen können. Nur 10% der Leute sind motiviert Prozesse zu verändern, um die Zukunft zu gestalten. Einerseits ist hierbei die Problematik, die Überproportionalität der Leute, die lediglich ihrem alltäglichen Job nachgehen wollen und andererseits die Ängste, die aus Veränderungen ihres Arbeitsumfelds entstehen. Für viele Arbeitnehmer würde es bedeuten, dass sie ihre Arbeitserfahrung abschreiben und ihre Lernkurve wieder von Anfang beginnen müssten. Aus diesem Grund unterstreicht Herr Talin erneut die Bedeutung von Grundwissen neuer Technologien.

Entscheidend ist, welche Vision die Pfleger, Pflegerinnen und auch die Ärzte, Ärztinnen verfolgen. Wenn man vom Grundsatz ausgeht, dass Pfleger und Pflegerinnen, Ärzte und Ärztinnen die Vision haben den Patienten bestmöglich zu helfen, dann soll die neu eingesetzte Technologie diese Vision bekräftigen. Dabei interessiert sie nicht, wie die Technologie genau funktioniert. Dieses Bespiel ist exemplarisch dafür, wie man den Leuten digitale Transformationsprozesse in der Zukunft näherbringen müsste. Wenn Technologie die Arbeiterschaft hilft ihren Job besser zu erfüllen, dann ist es einfacher sie zu begeistern. Das heisst, dass die Erfüllung der Vision und nicht die Technologie an sich in den Vordergrund gestellt wird.

Die Technologie wird als die Sirene der Neuzeit betrachtet, es lockt die Leute an und wenn sie es einsetzen, sind sie überfordert. Dies gilt für eine Vielzahl von Kleinunternehmen, die bereits Projekte gestartet haben, die ohne Erfolg blieben und darum abgeneigt sind weitere Technologien zu implementieren. Das Problem sieht Herr Talin darin, dass viele das Verständnis haben, Digitalisierung bedeutet Technologie einzusetzen. Vielmehr bedeutet digitale Transformation etwas Bestehendes mit den heutigen, digitalen Möglichkeiten abzubilden. Diese Denkweise ist essenziell, um Prozesse neu zu überdenken und um das Business-Modell an die potenziellen Veränderungen anzupassen. Dies beutet auch, dass man Zeit investiert Kunden in die Transformation mit einzuschliessen, um ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen und schliesslich den Nutzen der Geschäftsbeziehung zu steigern.

Aus Herr Talins Erfahrung gibt es viele, die denken, sie wüssten besser was der Kunde wolle, anstatt dem Kunden zuzuhören. Diese Haltung entsteht häufig bei Leuten, die lange in einer Branche tätig sind und so in einer Blase ihrer eigenen Erfahrungen stecken. Eine bessere Angehensweise ist es, Bestehendes, dass über eine lange Zeit gleich gemacht wurde, zu Hinterfragen und selbstkritisch darüber nachzudenken.

Grundsätzlich gilt es im ersten Schritt herauszufinden, wie man mit einer kleinen Sache etwas bewegen kann, unabhängig vom Konfigurator. Bereits wenn es für den Kunden einfacher wäre ihre Daten auf eine Plattform hochzuladen, anstatt mühsam zu verschicken, dann wäre dies bereits ein erster Schritt in Richtung Prozessoptimierung. Aus solchen kleinen Erfolgen können weitere Ideen entstehen. Zum Beispiel könnte man das Patientendossier erweitern, sodass man darüber Arzttermine buchen könnte. Wenn man Schritt für Schritt Ideen implementiert, wird es einen Zeitpunkt geben, an dem eine grössere Transformation und folglich eine Anpassung stattfinden muss. Das Personal muss geschult werden, Prozesse müssen angepasst werden und man muss sich Gedanken über den Patientenfluss machen, wenn Prozesse digitalisiert sind. 87% der digitalen Transformationsprojekte versagen, weil sie unter anderem zu gross angesetzt werden, weil sie nicht durchdacht werden oder Kunden nicht einbezogen werden.  

Dazu hat Herr Talin ein Beispiel, einer Frau, die ihr Kleinunternehmen umgestalten wollte. Sie lud ihre Hauptkundinnen halbjährlich zu einer Party ein und nutzte dieses Treffen, um ihre Kunden zu befragen, wohin das Unternehmen gehen soll. Es sei ein banales Beispiel, aber es zeige schön die Wichtigkeit den Kunden ins Zentrum zu stellen.

Wir haben alles an Technologie und Wissen, um alle unsere Probleme auf der Welt zu lösen. Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden, dass jeder einen Zugang zur digitalen Welt findet und schliesslich jeder davon profitieren kann. Dann können wir ökonomische, ökologische und soziale Probleme mit dem bereits vorhandenen Wissen über Technologien lösen.

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