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Luzia Bühler – Unternehmensentwicklung: Fit für die Zukunft dank gelebter Innovationskultur

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In der heutigen Podcast-Episode dreht sich alles um das Thema «Unternehmensentwicklung im Spital». Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, ist die Leiterin der Unternehmensentwicklung des Spitals Männedorf, Luzia Bühler zu Gast.
Als Expertin gibt sie Einblicke in ihre Tätigkeit und stellt heraus, dass ein gutes Projektmanagement und feste Strukturen die Basis für die Unternehmensentwicklung darstellen. Doch nichts geht über die Mitarbeitenden eines Spitals, die mit den PatientInnen arbeiten und dadurch die Stimmen sind, die gehört werden sollten, wenn es um Verbesserungen geht. In der Unternehmensentwicklung gilt es entsprechend, das Gefäss zu schaffen, in dem durch motivierte und engagierte Mitarbeitende Innovationen entwickelt und umgesetzt werden. Dies ist nicht immer einfach, doch, wie das Beispiel des Spital Männedorf zeigt, möglich!
Hören Sie in diese Podcast-Episode und erfahren Sie, was sich hinter dem Begriff der Unternehmensentwicklung versteckt, wie eine erfolgreiche Transformation in der komplexen Spitalumgebung gelingen kann und warum Luzia der Meinung ist, dass es mehr als nur guter Planung und Strukturen bedarf, um als Spital langfristig überleben zu können.

Fragen und Antworten

Fakt Nummer 1: Luzia Bühler hat einen 8-jährigen Sohn, gegen den sie im Fussball keine Chance mehr hat.

Fakt Nummer 2: Luzia Bühler hat einen wunderschönen Arbeitsweg, den sie mit dem Rennrad jeweils bestreitet.

Fakt Nummer 3: Luzia Bühler ist eine Teamplayerin und kann ihre Bestleistungen nur im Team erbringen.

Im Lehrerberuf hat Luzia Bühler einerseits das Team und andererseits das Moderieren gefehlt. Sie sei schon immer besser im Moderieren als im Dozieren gewesen. Beide Punkte werden von ihrer jetzigen Arbeit besser abgedeckt.   

Schon früh war Luzia Bühler klar, dass sie in der Finanzbranche nicht ihre Karriere machen wird. Der Übergang in die Gesundheitsbranche war nicht strategisch geplant. Vielmehr durch Zufall, via Beratung, hat sie dann den Weg in «ihre» Branche, die Gesundheit, gefunden.

Nein, ein Kulturschock sei es nicht gewesen. Luzia Bühler hat gemerkt, dass sie sehr gerne in einem Betrieb tätig ist, der viele verschiedene Bereiche hat und 24/7 funktioniert. Auch ohne direkten Patientenkontakt, spürt Luzia Bühler die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit und von ihrem Betrieb. Luzia Bühler äussert, dass sie ihre Stärken in dem jetzigen Betrieb viel besser einsetzen könne.

Diesbezüglich hat das Spital Männedorf einen klaren Vorteil, nämlich die Grösse. Im Vergleich zu noch grösseren Spitälern sind in Männedorf die Prozesse nicht ganz so lange.  

Das Spital Männedorf zählt ca. 140 Betten und hat ca. 1000 Angestellte. Es ist zwar das zweitkleinste Spital im Kanton Zürich, hat aber dennoch ein breites Angebot für ein Regionalspital.

Viele aus dem Unternehmen kennen Luzia Bühler und schon viele haben mit ihr zu tun gehabt. Das sei auch der Reiz und die Freude an ihrer Tätigkeit, dass sie so eng mit den Personen aus ihrem Unternehmen zusammenarbeiten darf.

Eine Unternehmensentwicklerin macht genau das, was die Bezeichnung besagt: sie entwickelt das Unternehmen weiter.

Dies kann einerseits gegen innen geschehen, das heisst interne Prozesse und Abläufe weiterentwickeln. Das kann aber auch gegen aussen stattfinden, nämlich indem neue Märkte und Angebote erschlossen werden. Die Positionierung im Markt ist für ein Spital, beziehungsweise im Gesundheitsumfeld, jedoch eher zweitrangig. Die Weiterentwicklung, sowohl gegen innen wie auch aussen, wird in der Regel immer von der Vision und der Strategie eines Unternehmens abgeleitet und priorisiert.

Die Funktion „Unternehmensentwicklung“ gibt es schon lange, sie wurde nur anders bezeichnet. Schon früher wurden Prozesse und Abläufe optimiert und weiterentwickelt, das stellt nichts neues dar.

In der Position als Leiterin der Unternehmensentwicklung ist Luzia Bühler direkt dem CEO unterstellt und deshalb in der Direktion tätig. Das Team umfasst verschiedene Disziplinen: das Prozessmanagement, das Qualitätsmanagement, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz/-förderung und die Spitalhygiene und Infektionsprävention.

Es gibt kein institutionalisiertes Netzwerk von Unternehmensentwickler:innen, jedoch wird Kontakt untereinander, mit den Peers, gepflegt.

Das Spital Männedorf ist gut strukturiert und aufgebaut, dessen Basis das starke Prozessmanagement bildet. Es hat schon früh auf das Lean-Hospital gesetzt, wo das Spital Männedorf im Vergleich zu anderen Spitälern schon sehr gut unterwegs sind.

Eine systematische Analyse wurde nicht durchgeführt. Bei der Entwicklung der neuen Unternehmensstrategie wurden aber durchaus Analysen dieser Art gemacht. Die konkreten Problemsituationen werden in der Regel direkt an Livia Bühler herangetragen und sie und ihr Team versuchen dann gezielt zu unterstützen. In einer breiten, systematischen Analyse zu untersuchen, wie «fit» welches Team und welcher Bereich ist, sieht Luzia Bühler keinen grossen Benefit.

Die Entwicklung lebt von beiden Prinzipien. Top-down oder auch von extern, wird vieles gemacht, insbesondere bei neuen Qualitätsauflagen beispielsweise. Aber auch das bottom-up Prinzip wird angewendet. Alle Personen, auch die direkt bei den Patient:innen, sind in der Lage Verbesserungsvorschläge oder Anträge einzureichen.  

Ja, solche Entwicklungen gibt es durchaus. In fast allen Teams im Spital Männedorf wurde bereits KVP implementiert. KVP bedeutet «kontinuierlicher Verbesserungsprozess». Ist ein Verbesserungsvorschlag in diesen Teams nicht realisierbar, weil es zu interdisziplinär ist oder weil es sogar ein Projekt braucht, so landet dieser Vorschlag immer beim Team von Livia Bühler. Sie prüfen dann die Wirtschaftlichkeit, die Umsetzbarkeit und machen Priorisierungen nach Kriterien.

Das bereitet Livia Bühler keine Schwierigkeiten, weil der Lösungsvorschlag der Teams immer vorgängig analysiert wurde und sie ihnen jeweils mit guten Gründen erklären kann, warum ein Vorschlag nicht umgesetzt werden kann. Das ist wiederum der Vorteil von einem kleinen Spital und guten Führungspersonen in den Teams.
Das Empowerment der Mitarbeitenden stellt eines der strategischen Ziele der Unternehmensentwicklung dar.

Ja, häufig landen solche Projekte bei der Unternehmensentwicklung. Deshalb ist ein gutes Team entscheidend, welches sich flexibel in unbekannte Themen einarbeiten kann. Bei solchen Herausforderungen gibt es aber noch weitere Ansprechpersonen, unter anderem auch der CEO, die der Unternehmensentwicklung zur Seite stehen können.

Dieses Projekt ist noch sehr neu, aktuell zählt das Spital Männedorf erst eine APN. Das Projekt ist aus zwei Seiten entstanden. Einerseits wurde festgestellt, dass in der Alterstraumatologie die Schnittstelle zwischen der chirurgischen und der geriatrischen Klinik entscheidend ist und verbessert werden sollte. Andererseits war eine Pflegefachfrau gerade dabei ihr Masterstudium abzuschliessen und man war auf der Suche nach einer passenden Rolle bzw. Position für sie. Bei der Analyse des Prozesses der Alterstraumatologie wurde die Position der APN entdeckt. Im nächsten Schritt wurde interdisziplinär ein Patientenpfad entwickelt, wo bei allen nötigen Assessments und Schnittstellen die APN ideal eingesetzt werden kann.  

APNs dürfen ärztliche Tätigkeiten übernehmen, beispielsweise die Verordnung von Medikamenten oder Assessments oder klinische/ diagnostische Untersuchungen.

Es hat ein dreimonatiges Pilotprojekt stattgefunden, indem analysiert wurde, wie viel die APN noch in welcher Rolle (Pflegefachperson, Pflegeentwicklung, Pflegeexpertin) tätig ist und inwiefern sie die Ärzte entlastet. Das Ergebnis war eine etwa ausgeglichene Verteilung 30/30/30. Diese Umstellung wurde nur dank dem Pilotprojekt erreicht, weil so den Ärzten die Vorteile aufgezeigt werden konnten.

Es waren alle überzeugt von der neuen Funktion, das Hauptproblem war mehr, herauszufinden woher die nötigen Ressourcen kommen. Es ist bekannt, dass die finanziellen Mittel in der Gesundheitsbranche beschränkt sind. Hier musste eine konkrete Lösungsfindung stattfinden, damit aufgezeigt werden konnte inwiefern die Berufsgruppen und die Patient:innen davon profitieren. Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass mehr Patienten generiert werden konnten, welche effizienter und besser durch das System geführt wurden.

Das ist es. Wichtig zu wissen ist, dass das Unternehmen Männedorf eine Aktiengesellschaft ist. Dementsprechend müssen alle Veränderungen wirtschaftlich bestehen.

Im Pilotprojekt wurden auch Patienten- und Angehörigenauswertungen gemacht. Es war absehbar, dass diese zufriedenstellend sind, weil durch die APN eine Fachkraft geschaffen wurde, die die Personen durch den gesamten Spitalprozess begleitet und die auch bei Gesprächen mit Angehörigen immer dabei ist, was im Alter gehäuft vorkommen. Es zeigte sich aus Patientensicht qualitativ eine riesige Verbesserung.

Das Spital Männedorf hat aktuell zwei weitere APNs in anderen Bereichen in Aussicht. Weitere strategische Massnahmen und Schwerpunkte, die das Spital hat, sind Übertragungen von Kompetenzen wie beispielsweise von ärztlichen Tätigkeiten an APN’s oder auch von Diplomierten Pflegefachpersonen an FaGe’s oder MPA’s.

Ziel ist es, die hoch qualifizierten Angestellten, gezielt dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden. Die Lücken, welche sie hinterlassen, werden kompetenzgerecht mit dem etwas weniger qualifizierten Personal gefüllt.  

Es ist so, dass sie jüngeren Angestellten nicht bereit sind, so viel zu arbeiten wie die Früheren. Man bemerkt, dass sie klare Prioritäten setzen, welche nicht immer mit der Arbeit übereinstimmen.

Es gab vor einigen Jahren ein Projekt, das sich etabliert hat. Das Spital Männedorf zählt mittlerweile 3 Bettenstationen, die die Dienstpläne selber gestalten. Der Dienstplan wird nicht mehr von der Leitung gemacht, sondern von den Pflegenden unter sich. Es gibt auch 1 Station im Haus, die als selbstorganisiertes Team funktioniert.  

Auf der Wochenbettstation hat die Leitung gewisse Kompetenzen und Aufgaben an das Team abgegeben, trägt aber noch die Verantwortung. Von diesen abgegebenen Aufgaben gibt es sogenannte Hüterinnen. Ein Beispiel dafür ist die Rekrutierung, wo nicht nur die Leitung, sondern auch andere vom Team involviert sind.

Dieses Projekt ist im Rahmen einer Lean-Woche entstanden, wo Visionen sowohl für die Teamentwicklung wie auch für die Patient:innen herausgearbeitet wurden.

Das Projekt wurde von der Stationsleitung und der Pflegeentwicklung, im Rahmen einer Masterarbeit, geleitet. Die Unternehmensentwicklung hat nur von aussen methodisch und organisatorisch unterstütz. Ein wichtiges Learnings war, dass nicht alle Mitarbeitenden Verantwortung und Empowerment wollen.

Ja, klar. Ein Beispiel dazu ist, dass nicht alle Pflegekräfte um 6:45 Uhr auf der Station sein müssen. Sie sollen sich das mit Gleitzeiten selbst einteilen können. In Männedorf gibt es aktuell kein gesperrtes Bett mehr wegen Pflegemangel. Das zeigt, dass solche Freiheiten attraktiv sind.

Die Optimierung der Notfallstation, aufgrund der vielen negativen Patientenfeedbacks bezüglich Wartezeiten und nichtvorhandenen ärztlichen Ressourcen, war ein solches Projekt. Es wurde ein zweitätiger, interdisziplinärer Gemba gemacht, der die Brennpunkte identifiziert hat. Davon wurden eine Vision, ein Zielbild mit Messkriterien und Umsetzungsmassnahmen abgeleitet.
Es wurde beispielsweise eine neue Funktion geschaffen, deren Hauptaufgabe die Hütung der Hauptnummer und die Leistungserfassung auf dem Notfall ist, als Entlastung der Pflegefachkräfte. Zudem findet nun zweimal Tag ein interdisziplinärer Huddle statt, damit das Tagesmanagement verbessert wird.

Luzia Bühler ist in ihrem eigenen Betrieb weniger radikal unterwegs, weil ihr nun die Angestellten näher sind. Genau das sei der Grund, weshalb gerne eine externe beratende Person hinzugezogen wird, um etwas Distanz zu schaffen und um gleichzeitig das nötige Know-How und die Expertise miteinzubringen.

Das Team ist etablierter, über die strenge Covid-Zeit hinweg lernte man den Betrieb noch besser kennen. Es sei nun dem Unternehmen klarer, dass die Unternehmensentwicklung dank dem Know-How bezüglich klinischer Prozesse und Interprofessionalität, hilfreich sein kann.

Tatsächlich wurden in der Unternehmensentwicklung Stellenprozente über die vier Jahre abgebaut. Wichtig ist, dass nicht nur andere Bereiche analysiert werden, ob dort alle Ressourcen gebraucht werden. Es ist auch wichtig im eigenen Team kritisch zu bleiben.

Luzia Bühler erhofft sich Fortschritte in der interdisziplinären Zusammenarbeit, dass es weniger grosse Abstände zwischen den Professionen gibt. Zudem erhofft sie sich einen grossen Digitalisierungsschub. Was sie befürchten, ist, dass sich der Fachkräftemangel weiter ausgeprägt, wenn nicht ein Shift zwischen Professionen und Tätigkeiten stattfindet.

Komplexität lässt sich nicht durch mehr Planung und Struktur bewältigen, gefragt ist Vernetzung und integratives Denken. Nur über die Verknüpfung der einzelnen Bereiche und Abteilungen und deren Spezialisten sind die Organisationen überlebensfähig. Dies werden Spitäler auch noch erkennen und dieses integrative Denken und Handeln können Frauen sehr gut.

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