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Kai Heib und Otto Bitterli – Pharmakogenetik: Endlich ist personalisierte Medizin da!

65 Steuern Vergütung/Finanzierung Entwickeln Innovation Vertrieb Forschung Marketing Strategie Pharma/Medtech Digital Health: Innovationen und Trends

Dr. Kai Heib ist Gründungspartner von Intlab, einem Unternehmen mit Hauptaugenfokus auf personalisierte Medizin. Otto Bitterli ist ein Experte an der Schnittstelle von Versicherung, Politik und Digitalisierung sowie der Verwaltungsratspräsident von Helvetic Care, einer Plattform für ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Zusammen bilden sie die idealen Gäste, um mit Alfred Angerer gemeinsam das Feld der Pharmakogenetik, das das Gesundheitswesen revolutionieren wird, zu beleuchten.
Doch dafür muss man erst einmal verstehen, was sich hinter dem Begriff verbirgt und welchen Mehrwert dieser Bereich der Medizin verspricht… Und hierfür findet Kai Heib ganz einfache Worten und Erklärungen. Seine Firma hilft personalisierte Medizin zu betreiben, dahingehend, dass PatientInnen ein ganz individuelles Profil darüber erhalten, wie Medikamente genau bei ihnen wirken, und ob sie überhaupt (die gewünschte) Wirkung erzielen. Weg von der Packungsbeilage hin zur personalisierten Empfehlung für das Individuum ist dabei das Ziel von Kai Heib. Ziel von Otto Bitterli ist darauf aufbauend, dieses Angebot auf seiner Plattform zu bewerben, und so für die Zielgruppe 55-75jähriger sichtbar zu machen. Ausserdem hilft der ehemalige Sanitas CEO dabei, die Finanzierungsfrage solcher genetischen Abklärungen zu schärfen, die hochgradig relevant für bspw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Infektionen und Co sind.
Hören Sie in diese Podcast-Episode und erfahren Sie mehr darüber, warum Pharmakogentik auch für Sie wichtig sein kann und darüber, wie die beiden Experten die Möglichkeiten und Zukunft dieses elementaren Medizinfeldes beschreiben.

https://www.helveticcare.ch/

https://www.intlab.online/

Fragen und Antworten

Erstens erwähnt Otto Bitterli, dass er Personen gerne habe und sich allgemein für Menschen interessiere. Zweitens ist Otto Bitterli davon überzeugt, dass man dem Zufall Rang geben muss und meint, dass sein Leben durch Zufall gestaltet ist. Drittens, er interessiert sich für sehr vieles und mit dieser Persönlichkeitseigenschaft überfordert er sich manchmal selbst.

Der erste Fakt zu seiner Person ist, dass viele Leute denken, dass er Arzt sei. Dr. Kai Heib hat jedoch zweimal Gesundheitsökonomie studiert und im Bereich Gesundheitswissenschaften promoviert. Wenn möglich startet er jeden Tag mit seinem Hund einen Waldlauf, das ist der zweite Fakt. Zudem trainiert er zwei- bis dreimal die Woche eine Fussballmädchenmannschaft in Männedorf.

Otto Bitterli hat an der HSG studiert und hat sein Studium als Staatswissenschaftler abgeschlossen. Er sah eine Stelle als Medizinaltarifspezialist UVG und diese hat ihn direkt angesprochen, denn die Stelle war nicht zu spezifisch und beinhaltete verschiedene Bereiche wie Verhandlungen, Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. So kam er in den Bereich der Sozialversicherungen im Gesundheitswesen.

Otto Bitterli hatte die Möglichkeit von einem Verband in die Privatversicherung zu wechseln. Zudem bekam er später ein Angebot von der Sanitas und wechselte in die Geschäftsleitung der Krankenversicherung und wurde anschliessend CEO desselben Unternehmens. Otto Bitterli erwähnt, dass er mit der Digitalisierung früh in Kontakt kam, dies interessierte ihn besonders. So arbeitete er viele Jahre bis 2019 im Gesundheitswesen und machte sich anschliessend selbständig.

Helvetic Care ist eine Plattform für die Zielgruppe 55-jährige bis 75-jährige. Der Fokus auf diese Zielgruppe wurde bewusst gelegt, da sie andere Bedürfnisse und einen anderen Lebenshintergrund aufweisen. Sie beraten und unterstützen Personen in verschiedensten Alltagsthemen, wie beispielsweise bei Versicherungen, Reisen, Pflege und bis hin zur Schönheitschirurgie.

Das ist relativ einfach, meint Dr. Kai Heib. In seiner Familie wurde ihm lange suggeriert, dass er Medizin studieren müsse. Nach seiner Zeit im Rettungsdienst, entschloss er sich jedoch für das Gesundheitsökonomie-Studium in Mainz, dies, obwohl er schon einen Medizin-Studienplatz gehabt hatte. Diesen Entscheid begründete er damit, dass er damals lieber in der Nähe seiner Heimat bleiben wollte. Er bereut diese Entscheidung bis heute nicht, da er auch der Meinung ist, dass im Gesundheitswesen noch so viel Potential besteht.

Intlab hat sich darauf fokussiert, für genetische Fragestellungen Expertensysteme zu konzipieren. Dies mit dem Ziel, dass bei klinischen Fragestellungen der Ärztin oder dem Arzt softwareunterstützt die aktuell weltweit verfügbare Evidenz an Studiengrundlagen zur Verfügung gestellt wird. Dadurch sollen Patientenfragen schnellstmöglich und fachlich korrekt beantwortet und eine personalisierte Medizin ermöglicht werden.

Alle Menschen sind individuell und alle Menschen haben unterschiedliche genetische Prädispositionen. Das bedeutet auch, dass bei den einen Personen die Medikamente wirken – so wie sie sollen und bei anderen überhaupt nicht wirken. Bei wieder anderen Menschen generieren Medikamente sogar Nebenwirkungen und Komplikationen, welche überhaupt nicht zu erwarten waren. Manchmal sind die Nebenwirkungen und Komplikationen schlussendlich sogar noch grösser als es beim Ausgangsproblem war.

Intlab setzt sich dafür ein, weg von der allgemeinen Packungsbeilagen-Empfehlung hin zur personalisierten Medizin zu kommen.

Dr. Kai Heib meint dazu, dass diese Frage oft eine Diskussion mit Kostenträgern oder mit Leistungsfinanzierern ist. Dr. Kai Heib überlässt diese Entscheidung gerne denen, die es beurteilen wollen oder können. Trotzdem nennt er hierzu ein Beispiel: Wenn eine Patientin oder ein Patient einen Herzinfarkt hat und diesen überlebt, bekommt sie oder er einen Stent eingesetzt und Blutverdünner verschrieben. Der Blutverdünner soll verhindern, dass kein zweiter Herzinfarkt folgt. In solchen Situationen liegt es im Interesse der jeweiligen Patienten, dass sie die bestmögliche medizinische Behandlung erhalten. Das bedeutet, dass sie Blutverdünner erhalten, der wirkt und keine weiteren Komplikationen hervorruft. Dr. Kai Heib ist der Meinung, dass gerade bei Erkrankungen im Bereich Herzkreislauf, Krebserkrankungen, Depressionen und chronische Schmerzen die personalisierte Medizin kein Nice-to-Have ist, sondern State of the Art sein sollte. Das bedeutet, dass die Behandlung in diesen speziellen Fällen personalisiert und professionell anzugehen ist.

Der Umfang der Analyse ist ein wichtiger Differenzierungspunkt für Leistungsanbieter in der Pharmakogenetik. Oftmals zielt das Businessmodell darauf ab, ein möglichst grosses analytisches Screening durchzuführen, um möglichst viele Informationen zu erhalten. Mit den Daten kann anschliessend Umsatz generiert werden.

Intlab grenzt sich in diesem Punkt proaktiv ab und bezieht sich gezielt auf Fragestellungen in der Pharmakogenetik. Sie untersuchen nur diejenigen Gene, welche für den Medikamentenstoffwechsel relevant sind. Aus Sicht von Intlab sind das 16 Gene. Alles andere wird nicht untersucht. Sie beantworten damit konkret die Frage, ob ein gewisses Medikament bei einer Patientin oder einem Patienten wirkt oder nicht.

Auf dem Markt gibt es viele unterschiedliche Anbieter. Gewisse Anbieter positionieren sich rein quantitativ. Intlab positioniert sich qualitativ. Ob ein Wirkstoff auswertbar ist, hängt von zwei Bestandteilen ab. Zum einen ist es die klinische Relevanz der Aussagen der Experten und Handlungsempfehlungen. Zum anderen ist es die Evidenzqualität, der zugrundeliegenden Studien. Intlab gibt nur qualitativ hochstehende Handlungsempfehlungen ab.

Die Kernbereiche, in denen Intlab primär tätig ist, sind die Bereiche Herzkreislauf-Erkrankungen, Onkologie, Krebserkrankung, Schmerz & Neurologie, Antidepressiva und Infektionskrankheiten. In diesen Fachbereichen ist die wissenschaftliche Studienlage zudem am ausgeprägtesten.

Im Jahr 2011 hat Intlab nicht direkt angefangen das System zu konzipieren. Sie haben zuerst das Gebiet analysiert und geschaut, was qualitativ möglich, wo die Grenzen liegen und welchen Mehrwert für das Gesundheitssystem generiert werden kann.

Mit professionellen Laborpartnern, wie dem Labor Dr. Risch, hat man über Jahre hinweg in die Validierung investiert. Zudem hat man im Ausland nach Best Practice im Bereich der Pharmakogenetik gesucht. In der Anfangsphase haben sie hierzu eng mit Professor Ron van Schaik von der Erasmus Universität in Rotterdam zusammengearbeitet. Denn Holland ist in der Pharmakogenetik ein europäischer Vorreiter, dies mit der Begründung, dass die Zusammenarbeit der Fachärzte, Hausärzte und Apotheker auf einem viel höheren Niveau stattfindet. International kann man auch die Mayo-Klinik als Vorbild nehmen, die zusätzlich die digitale Integration und digitale Ökosysteme umgesetzt hat.

Otto Bitterli erzählt, dass ihn Kai damals angerufen hat und ihm die Pharmakogenetik erklärte. Von Anfang an, hat Otto Bitterli gemerkt, dass die Pharmakogenetik einen Mehrwert bieten kann, auch hat ihn das Gebiet fasziniert. Aus dem Telefonat ist später eine Zusammenarbeit mit Helvetic Care geworden und sie haben den Kontakt gehalten.

Im Alltag ist Pharmakogenetik für die Menschen kein Thema. Otto Bitterli sagt, dass man diese wissenschaftlichen Kenntnisse und den Mehrwert von Pharmakogenetik den Menschen näherbringen und quasi übersetzen muss. Laut Otto Bitterli ist es generell ein Problem, dass solches Wissen oftmals in wissenschaftlichen Kreisen bleibt und den Weg zu den Menschen und in den Alltag zu wenig findet.

Otto Bitterli erwähnt, dass sie versuchen die Menschen zu erreichen und ihnen das Thema näherzubringen. Die meisten Menschen reagieren verwundert, denn sie haben noch nie etwas von Pharmakogenetik gehört. Bei den Usern findet dann auch eine Art Selektion statt, nur Personen, die das Thema verstehen können, werden sich weiter damit befassen. In diesem Schritt ist es wichtig die richtige Sprache zu finden. Hierzu nennt Otto Bitterli auch ein Beispiel: Wenn Frauen Brustkrebs haben und nach einer erfolgreichen Operation und Chemotherapie oftmals jahrelang Medikamente zu sich nehmen müssen, sollten sie erfahren, dass es sein kann, dass das Medikament möglicherweise nicht wirkt. Hierbei besteht laut Otto Bitterli Aufklärungsbedarf.

Es ist sehr unterschiedlich und kommt auf den Wirkstoff an. Auch spielen die Qualität und der Umfang der vorhanden wissenschaftlichen Studien eine Rolle. Dr. Kai Heib nennt hierzu ein Beispiel: Im Rahmen einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Dr. Russmann, der ETH, Klinik Hirslanden und dem Labor Dr. Risch wurde eine Kohorte von rund 130 Patientinnen und Patienten untersucht. Die Untersuchung war auf unterschiedlichen Wirkstoffen aufgebaut. Bei einem Viertel bis zu einem Drittel der Patientinnen und Patienten hat man durch die analytische Pharmakogenetik herausgefunden, dass ein Medikamentenwechsel oder eine Anpassung der Dosierung einen relevanten Mehrwert generiert. Zudem wurde bei 100 Prozent der Teilnehmenden eine genetische Variante gefunden, die für eines dieser Medikamente im Lebensverlauf eine relevante Information generieren kann.

Das ist korrekt. Es wurde entweder ein Wechsel des Hauptwirkstoffs empfohlen und oder eine Empfehlung für eine alternative Dosierung abgegeben, dies weil die initiale Dosierung zu einer zu tiefen oder zu hohen Konzentration im Blut führte. In einem anderen Fall konnte zudem belegt werden, dass bei über 50 Prozent der Patientinnen und Patienten, die ein Antidepressivum verschrieben bekommen haben, dieses Medikament gar nicht wirkte. Häufig wird zudem nicht nur ein Antidepressivum getestet, sondern eins bis zwei Antidepressiva nacheinander, was eine Verzögerung des Wirkungseintritts und der Hilfe bedeutet und die Regeneration hemmt.

Alfred Angerer fügt bei diesem Beispiel hinzu, dass mit einer kleinen Untersuchung, diese Fehlbehandlung verhindert werden könnte.
Dr. Kai Heib fährt fort, dass die Antidepressiva-Auswahl häufig im Rahmen eines erfahrungsbasierten Try and Error verläuft. Auch sind die Psychiaterinnen und Psychiater die Facharztgruppe mit der grössten Resonanz, welche den Mehrwert der Pharmakogenetik nicht nur sieht, sondern auch proaktiv nachfragt.

Otto Bitterli stellt klar, dass die Untersuchung zwischen 500-600 Franken kostet. Auch ist er der Meinung, dass der Mehrwert der Pharmakogenetik immens ist. Jedoch betont er in diesem Zusammenhang, dass die Zusammenarbeit nicht daran gebunden sein sollte, dass und ob die Krankenversicherung zahlt und appelliert hierbei an die Eigenverantwortung der Menschen.

Der Stand heute ist, dass Pharmakogenetik nicht bezahlt wird – ausser von einer Krankenkasse und bei dieser auch nur im Rahmen der Zusatzversicherung. In der Grundversicherung ist die Kostenübernahme von Pharmakogenetik bislang kein Thema. Laut Otto Bitterli wird es jedoch vermehrter ein stärkeres Diskussionsthema, zudem ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Untersuchung von den Krankenversicherungen übernommen wird.

Laut Otto Bitterli wäre die Pharmakogenetik ein idealer Bestandteil für die Zusatzversicherung. Bei diesen sogenannten kleinen Bausteinen handelt es sich um ein Sammelsurium. Es geht von Zahnfehlstellungen bis hin zur Alternativmedizin. Eine solche Zusatzversicherung kostet rund 50 Franken pro Monat und wenn dann alle Versicherten Pharmakogenetik in Anspruch nehmen, dann steigt der Preis. Diese Konstruktion lässt sich anschliessend nicht mehr verkaufen. Versicherungen stellen sich natürlich auch immer die Frage, wie viele Leute diese Untersuchung in Anspruch nehmen und ob es dabei eine Solidarität gibt? Die Versicherer haben hierbei oftmals Angst, da sie mit unkündbaren Verträgen einem gewissen Risiko gegenüberstehen.

Bei der Angst handelt es sich um ein generelles Versicherungsproblem. Oftmals wird behauptet, dass es zukünftig günstiger wird, dem ist aber nicht so. Die Befürchtung ist, dass die Kosten nicht abnehmen, sondern die Mengen zunehmen und das Kostenvolumen gleichbleibt.

Die Versicherung ist hier klar eingeschränkt. Es soll laut Otto Bitterli eben nicht das ganze Genom untersucht werden und die Daten anschliessend verkauft werden können. Solche Untersuchungen sollen in einem geschützten und überschaubaren Rahmen durchgeführt werden, und zwar mit klarer Wirkungsorientierung. Otto Bitterli meint zudem, dass es noch eine Weile dauern wird, bis diese von der Grundversicherung übernommen werden, jedoch sollen Versicherungen mutiger sein und sich mit solchen Bestandteilen in der Zusatzversicherung differenzieren.  

Otto Bitterli meint, dass die Versicherer das Angebot der Pharmakogenetik rasch in die Zusatzversicherung aufnehmen sollen, weil es ein effektiver Mehrwert ist. Zudem sollte man den Versicherten erklären, dass es sich bei diesen Untersuchungen um einen deutlichen Mehrwert handelt. Die Krankenversicherung soll damit eine offene Haltung einnehmen und sich als fortschrittliche Krankenversicherung positionieren.

Otto Bitterli ist der Meinung, dass sie genau deswegen dies auf Helvetic Care zur Verfügung stellen. Gesundheitsökonomisch betrachtet, kommen in solchen Fällen sowieso noch Selbstbehalte und Anteilszahlungen hinzu. Somit muss grundsätzlich viel aus eigener Tasche bezahlt werden. Ein Grund mehr, warum die Versicherungen in diesem Thema vorwärts machen und es zugänglich machen sollen.

Dr. Kai Heib meint, dass im Rahmen des Könnens die Ampel klar auf grün steht. Dies mit der Begründung, dass sich die Pharmakogenetik über Jahre bewährt hat und es gibt viele Anbieter, die auf guter und fundierter Basis agieren. Das Können ist somit eher ein Argument dafür. Zudem fügt Dr. Kai Heib an, dass es sich bei der Pharmakogenetik um bewährte Systeme, Methoden und Prozesse handelt. Es bestehen jedoch Hemmnisse im Bereich der Finanzierung und somit ist die Motivation für Leistungserbringer gering. Dies ist schlussendlich die grosse Hürde für die Pharmakogenetik im DACH-Raum.

Der Prozess einer pharmakogenetischen Analyse ist relativ einfach. Entweder hat man bereits eine behandelnde Ärztin oder einen behandelnden Arzt, der einen Auftrag gibt oder es wird der Patientin / dem Patienten entsprechende Fachärzte vermittelt. Dabei ist wichtig zu schauen, ob diese Untersuchung überhaupt Sinn macht. Denn es ist nicht das Ziel diese Tests kommerziell und in der Breite zu vertreiben, sondern nur dort anzuwenden, wo sie mit höchster Wahrscheinlichkeit Mehrwerte generieren. Wenn das so ist, wird eine Speichelprobe entnommen und diese wird anschliessend in ein Partnerlabor gesendet. Dort werden die 16 pharmakogenetisch relevanten Gene untersucht. Intlab erhält danach die Rohergebnisse aus dem Labor und veredelt sie mit der pharmakogenetischen Profilbildung und leitet daraus eine Interpretation, mittels des Gene-and-Drug-Matching ab. So können dann Aussagen zur Medikamenteneinnahme gemacht werden.  

Diese Zeiten sind vorbei. Auch preislich belaufen sich die Kosten inzwischen um die rund 300 bis 450 Franken. Die teuren Elemente dieser pharmakogenetischen Untersuchung sind zudem die hochqualitativen Prozesse im Labor. Qualität kostet und es kommt auch auf die Menge der zu untersuchenden Proben an. Der Preis könnte aber in Zukunft mit zunehmender Anzahl Proben nach unten gesenkt werden, so dass die Untersuchung unter 300 Franken kosten wird.

Es gibt sehr schnelle Kooperationen, dies ist oft der Fall, wenn das Labor inhouse bei den Partnern ist. Dort haben sie einen Turnaround-Timer von rund einem Tag. In anderen Fällen geht die Probe vom Spital in ein anderes Labor, die Ergebnisse werden versendet und Intlab geben diese wieder zurück an den Auftragsgeber. Bei diesem Prozess wird mit durchschnittlich 4 Tagen gerechnet.

In diesem Bereich investiert Intlab mit Laboren, Fachärzten und Apothekern viel Zeit. Denn sie wollen genaue Informationen und Aussagen darüber machen können, welche Wirkstoffe die zwei Voraussetzungen erfüllen. Bei den zwei Voraussetzungen geht es zum einen um die klinische Relevanz (Mehrwert) und ob es eine wissenschaftlich Evidenzgrundlage in hoher Qualität gibt. Nur wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, wird es empfohlen. Es geht somit explizit nicht um kommerzielle Medizin, sondern um professionelle angewendete Medizin mit höchstmöglichster Eintrittswahrscheinlichkeit von relevanten Mehrwerten. Dr. Kai Heib ist der Meinung, dass dies nicht durch Massenscreenings generiert werden kann und deswegen legt Intlab sehr viel Wert auf die Schulung von Partnerinnen und Partnern und sieht sich in der Rolle als Enabler.

Bisher wurde primär der Akutfall besprochen, also wenn eine Patientin oder ein Patient eine Krankheit hat, bei der oder dem die Medikamente jedoch nicht wirken und auf der Suche nach Alternativen ist. Intlab hat jedoch auch einen kleinen Kundenstamm, vor allem Leute aus der jüngeren Generation, 30-40 Jahre alt, welche dieses Angebot präventiv Nutzen. Diese Klientengruppe hat ein ganz anderes Verständnis und möchte nicht erst im Akutfall tätig werden. Sie wollen frühzeitig agieren und abklären, was für ein Profil sie besitzen, um dies auch schon präventiv mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen zu können.

Otto Bitterli meint, dass es auch im höheren Alter sinnvoll wäre, denn mit diesem Profil der pharmakologischen Untersuchung besitzt man im Grunde eine Art «Record», dieser gibt an, welche Medikamente funktionieren und welche nicht. Dieser «Record» wird auch laufend aktualisiert. Zudem begründet Otto seine Meinung damit, dass es bei einer dauerhaften Medikation essenziell ist, zu wissen, ob das Medikament nützt oder eben nicht.

Otto Bitterli sagt, dass es schwierig ist, hier eine klare Aussage zu machen. Denn im Grunde geht es hier wieder um die Frage der Finanzierung des Schweizer Gesundheitswesens. Otto ist hier sehr skeptisch und meint, dass es immer zuerst um die Finanzierungsfrage geht, konkret: wer bezahlt was. Dabei kommt die Frage, was den Patienten helfen würde, zu kurz. Wenn man mit neuen oder kleineren Themen kommt, dann trifft man oft auf Ablehnungen oder wenig Gehör, denn die Akteure haben immer Angst, dass es noch teurer wird.

Man müsste versuchen, dieses Dossier aus der legislatorischen Weiterentwicklung herauszunehmen. Der Bund sollte, statt Digitalisierungsprojekte zu finanzieren, eher Ausschreibungen machen.

Denn die Digitalisierung funktioniert nur dort, wo die System-Rahmenbedingungen erfüllt sind. Im Bereich der Pharmakogenetik ist das System der Finanzierung und der Zuständigkeiten falsch aufgebaut. Otto Bitterli ist der Meinung, dass die Schweiz mehr Mut haben und nach vorne schauen sollte, anstatt immer nur stückweise politische Weiterentwicklungen zu machen. Er glaubt, mit einer Art Ideenwettbewerb könnte es funktionieren. Denn dann wären die politischen Instanzen damit beauftragt zu identifizieren, welche Ideen finanzielle Unterstützung bekämen.
Alfred Angerer fügt hinzu, dass es sich hierbei weniger um die Veränderung eines Gesetzes handelt, als vielmehr darum das Gesundheitswesen Richtung marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu bewegen.
Otto Bitterli glaubt, dass wir in der Schweiz wirklich an einem Punkt stehen, an dem eine neue Strukturierung gebraucht wird, die auf einem sachlogischen Fundament basiert. Denn nur so kann auch das Potential der Digitalisierung auf das ganze System wirken. Otto Bitterli nervt sich, dass die tausendste Schwangerschafts-App entwickelt wird, aber die Schweiz im Bereich des digitalen Patienten-Dossiers immer noch nicht weiter ist. Laut Otto Bitterli zeigt dies klar auf, dass der Mut in der Schweiz nicht vorhanden ist, um über das System nachzudenken.

Otto Bitterli meint, sobald die Untersuchung bezahlt wird, dann würde es recht schnell gehen. Die monetäre Steuerung im Gesundheitswesen ist relevant. Wenn es aber um die Überzeugung der Ärztinnen und Ärzte geht, dann ist es eine Frage der Erkenntnis und der Durchdringung des Reifegrades der Medizin. Allerdings betont Otto Bitterli, dass solche Entscheidungen auch immer von der jeweiligen Hausärztin oder dem jeweiligen Hausarzt abhängt. Im Allgemeinen ist es eine Frage der Zeit. Otto Bitterli ist jedoch überzeugt, dass sich die Pharmakogenetik durchsetzen wird.

Dr. Kai Heib stimmt in dieser Frage Otto Bitterli zu und meint ebenfalls, dass es eine Frage der finanziellen Incentivierung ist. Ärzte argumentieren völlig zu Recht, dass jede Konsultationsminute refinanziert werden muss. Gewisse Ärzte eignen sich das Wissen an, weil sie es von sich aus wollen. Ihnen ist auch bewusst, dass es irgendwann zu einem proaktiven Arzneimittel-Sicherheitssystem kommen wird. Momentan rentiert es sich für Haus- und Fachärzte noch nicht, dass sie sich in diesem Bereich explizit weiterbilden. Dr. Kai Heib ist sich bewusst, dass dies sehr ökonomisch dargestellt ist, jedoch müssen Hausarztpraxen und Spitäler finanziell über die Runden kommen. Das Können ist somit gegeben und im Rahmen des Dürfens braucht es keine umfassende Systemreform. Hierbei braucht es einfach mehr Mut und Vertrauen. Pharmakogenetik ist keine Rocket Science, aber es kann medizinisch, ethisch und am Ende des Tages auch einen ökonomischen Mehrwert bieten.

Dr. Kai Heib meint, dass sie in den Diskussionen rund um die Pharmakogenetik unglaublich viel erleben – von Abwehr, zu Ignoranz, bis hin zu Realitätsleugnungen. Dr. Kai Heib begegnet diesen Aussagen und Kontroversen mit absoluter Akzeptanz. Dennoch glaubt er daran, wenn man den Personen den Spiegel hinhalten würde, sie die mögliche Betroffenheit auf das eigene Leben und auf den eigenen Anwendungshorizont herunterbrechen und die Diskussionen mit Leistungserbringern anders verlaufen würden.

Meine These ist ziemlich einfach, tue Gutes und sprich darüber. Geduld zu haben und möglichst viele Podcasts zu machen, das hilft.

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