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Gian-Andrea Degen – Telemedizin: Viel mehr als nur telefonische Konsultation

64 Steuern Kommunikation Entwickeln Innovation Strategie Leistungerbringer Spitex Alters- und Pflegeheime Rehaeinrichtungen Arztpraxen Spitäler Digital Health: Innovationen und Trends

Es ist einmal wieder soweit und Alfred Angerer und Stefan Lienhard laden gemeinsam zum Digital Health Talk ein. «Telemedizin» ist dabei das Thema dieser Episode. Spätestens seit Beginn der Corona Pandemie ist dieser Begriff wohl aller Welt geläufig. Wo einst noch Bedenken bezüglich der Machbarkeit sowie der Bedürfnisse und Akzeptanz der NutzerInnen vorherrschten, treten heute vielmehr Fragen zur Implementierung in bestehende Prozesse und Vergütung dieser Leistungen an.
Gian-Andrea Degen ehemaliger Masterstudent bei Alfred und aktuell Consultant bei PWC im Healthcare Advisory Bereich (mit Schwerpunkt Digital Health und Telemedizin), ist dabei genau der passende Gast, um das Thema zusammen aufzurollen und die aktuellen Fragestellungen und Herausforderungen zu diskutieren.
So hebt Gian-Andrea hervor, welche aktuellen telemedizinischen Lösungen bereits bestehen und welche Zukunft er für dieses Feld im Gesundheitswesen zeichnet. Und stellt dabei heraus, dass Telemedizin doch viel mehr ist als die telefonische bzw. virtuelle Konsultation zwischen ÄrztInnen und PatientInnen.

Hören Sie in diese Podcast-Episode und erfahren Sie mehr über Telemedizin in der Praxis und die Verrechnungsmöglichkeiten und darüber, warum es im Bereich der Versorgung von PatientInnen wohl noch lange ein hybrides Modell von medizinischen UND telemedizinischen Leistungen geben wird.

Fragen und Antworten

Er liebt gutes Essen und in seiner Freizeit fotografiert er gerne und spielt Golf, was ihm einen guten Ausgleich zu seinem Beruf bietet. Auch kennt er die Stadt New York City besser als die komplette Westschweiz.

Nur gute, denn es war das Ende seiner langen Ausbildungskarriere, und so ist es für ihn schön, wieder in diesem Gebäude zu sein.

Gian-Andrea begann in der Aviatik und arbeitete zunächst beim Bundesamt für Zivilluftfahrt. Danach entschied er sich für die Medizin und wechselte zur medizinischen Informatik. Seit ca. 8 Jahren beschäftigt er sich nun in verschiedenen Arbeitsstellen mit diesem Thema.

Mit seinem Healthcare Advisory Team ist PWC eines der wenigen Beratungsunternehmen, das sich mit diesem Thema beschäftigt. Das Team befasst sich mit Strategie, Operational Excellence und digitaler Transformation im Gesundheitssektor. Gian-Andrea ist besonders mit Digital Health verbunden, wo er seine Kunden und Kundinnen in den Bereichen Strategietransformation, Robotik und Automatisierung berät und auch innerhalb des Teams bei verschiedenen Themen hilft.

Hier kann man vor allem zwischen dem Arzt-Arzt-Verhältnis und dem Arzt-Patienten-Verhältnis unterscheiden. Im ersten Fall ist klar, dass es sich um interdisziplinäre Konsultationen zwischen den Experten handelt. Wenn zwei Leistungserbringer über eine örtliche Distanz Informationen austauschen wollen, kann die Telemedizin hier helfen. Auch im Bereich des E-Learnings kann die Telemedizin sehr hilfreich sein. In der Arzt-Patienten-Beziehung geht es vor allem um die telemedizinische Konsultation, aber auch um Diagnostik wie Hospital-at-home und Telemonitoring.

Zum Thema Telemedizin kam Gian-Andrea durch seinen akademischen Hintergrund, seinen Bachelor-Abschluss in medizinischer Informatik, seinen beruflichen Hintergrund, da PWC sehr stark mit diesem Trendthema befasst ist, und nicht zuletzt durch viele positive private Erfahrungen. Selbst würde er sich als digitalen Nerd bezeichnen und sieht das Thema Telemedizin als grosse Chance und als Brücke zur konventionellen Behandlung.

Sein Versicherungsmodell beinhaltet Telemedizin. Hierdurch spart er viel Zeit, es fallen weniger Kosten an und er erhält eine hohe qualitative Behandlung in kürzester Zeit.

Die telemedizinische Konsultation hat sich in den letzten Jahren stark etabliert. Neben der telefonischen Konsultation gibt es inzwischen auch die Möglichkeit einer Videoverbindung. Darüber hinaus gibt es mehrere Start-ups und etablierte Unternehmen in der zeitversetzten Telemedizin. Nicht zu vergessen ist auch der Bereich der Psychiatrie, der über telemedizinische Lösungen abgewickelt werden kann.

Es kommt immer auf den Einzelfall an. Chronisch Kranke können profitieren, aber wenn jemand nicht digital-affin ist, sollte eine Beratung vor Ort nicht ausser Acht gelassen werden.

In jedem Fall wird die Telemedizin auf dem hybriden Weg weitergeführt. Die Telemedizin sollte nicht als Bedrohung, sondern als zusätzliches Produkt für die Patienten und Patientinnen gesehen werden. Sie kann vor allem im Bereich der diagnostischen Analysen für zu Hause disruptiv werden, aber das wird noch ein paar Jahre dauern. Es ist aber auch schön zu sehen, dass es bereits einige Initiativen mit "hospital-at-home" gibt und wenn diese weiterhin positive Erfahrungen sammeln, dann könnte dies auch weiter an politischem Interesse gewinnen.

An erster Stelle steht die finanzielle Vergütung. Dann die technische Infrastruktur, denn eine Qualitätslösung erfordert die richtige Software und Hardware. Drittens geht es um die Affinität und das Bewusstsein bei Dienstleistern und Patienten. Und nicht zuletzt muss man bedenken, dass die heutigen Prozesse auf physischen Kontakt ausgelegt sind und daher auch angepasst werden sollten.An erster Stelle steht die finanzielle Vergütung. Dann die technische Infrastruktur, denn eine Qualitätslösung erfordert die richtige Software und Hardware. Drittens geht es um die Affinität und das Bewusstsein bei Dienstleistern und Patienten. Und nicht zuletzt muss man bedenken, dass die heutigen Prozesse auf physischen Kontakt ausgelegt sind und daher auch angepasst werden sollten.An erster Stelle steht die finanzielle Vergütung. Dann die technische Infrastruktur, denn eine Qualitätslösung erfordert die richtige Software und Hardware. Drittens geht es um die Affinität und das Bewusstsein bei Dienstleistern und Patienten. Und nicht zuletzt muss man bedenken, dass die heutigen Prozesse auf physischen Kontakt ausgelegt sind und daher auch angepasst werden sollten.

Der menschliche Faktor ist sicherlich ernst zu nehmen. Es ist wichtig, den Patienten und Patientinnen den Nutzen in ihrem individuellen Fall aufzuzeigen. Es gibt klare Muster, für die Telemedizin Sinn macht und für die sie nicht sinnvoll ist.

Beim Thema Datenschutz haben wir noch einen sehr weiten Weg vor uns. Man sollte es ernst nehmen, denn es gibt immer wieder negative Schlagzeilen. Aber man darf den Datenschutz nicht auf die Spitze treiben und alle innovativen Ideen ausbremsen. Wenn wir eine gute Kombination aus Innovation und Datenschutz finden, werden wir Fortschritte machen.

Wir sind hier im ambulanten Bereich, also im TARMED. Dieser ist so konzipiert, dass es eine Position für Telemedizin gibt, nämlich die Telefonsprechstunde. Da haben wir verschiedene Herausforderungen, wie den Zeitfaktor oder die Tatsache, dass es nicht möglich ist, Behandlungen über das Telefon durchzuführen. Deshalb gibt es für die Leistungserbringer noch keinen finanziellen Anreiz, die Telemedizin aktiv voranzutreiben.

Es wäre schön, wenn dies auch für andere Berufsgruppen gelten würde. Während der Pandemie bestand diese Möglichkeit auch für andere Berufsgruppen, und das BAG hat auch hier ein Merkblatt herausgegeben, aber all dies galt nur vorübergehend. Heute dürfen nur noch Ärzte und Ärztinnen die Telemedizin abrechnen.

Für die Selbstzahler wird das schon seit einigen Jahren gemacht. Hier ist es sehr interessant, vor allem im internationalen Kontext.

Es müssen Tarifpositionen entwickelt werden, damit Telemedizin im ambulanten Bereich überhaupt möglich wird. Dann müssen wir mehr forschen, denn dann kann auch die Politik faktenbasiert entscheiden, was sinnvoll ist.

Es gibt mehrere Akteure. Ausgehend von den Leistungserbringern sind es eindeutig die Krankenhäuser, ob stationär oder ambulant. Zweitens die Praxen. Dann sieht Gian-Andrea die Kantone, die die Vergütungssysteme angleichen können, und den Bund, der die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen sollte. Und schliesslich die ICT, denn wenn man alle mit ins Boot holt, wird es funktionieren.

Wenn wir die Telemedizin nutzen, wie es heute der Fall ist, und über den Erstkontakt mit der Krankenkasse eine Konsultation mit einem Facharzt erfolgt, dann können wir Kosten sparen, weil es sich um eine interne Abrechnung handelt. Auf dieser Grundlage und gegebenenfalls unterstützt durch eine Heimdiagnostik können sie eine Ersteinschätzung vornehmen, so dass die Konsultation vor Ort nicht mehr notwendig ist.

In jedem Fall wird es zunächst eine grosse Investition auf technologischer Ebene sowie für die Ausbildung sein. Man muss jedoch bedenken, dass das digitale Upscaling stark auf dem Vormarsch ist und man hier Investitionen tätigen muss. Auf diese Weise lässt sich schnell eine hohe Kapitalrendite erzielen, denn abgesehen davon, dass man viel mehr Fachleute in einem Raum unterbringen kann, braucht man nur einen Schreibtisch, eine Kamera und eine gute Software. Das führt auf lange Sicht zu Kosteneinsparungen.

Da der Arztbesuch besser planbar ist und ich mich selbst von zu Hause aus in den Termin einwählen kann, gibt es z.B. weniger Wartezeiten, so dass weniger Termine verpasst werden. Da der Arztbesuch besser planbar ist und ich mich selbst von zu Hause aus in den Termin einwählen kann, gibt es z.B. weniger Wartezeiten, so dass weniger Termine verpasst werden.

Sicherlich chronische Krankheiten, bei denen bereits viele Erfahrungen gesammelt wurden. Dann das ganze Thema der psychischen Gesundheit, weil wir die Patienten besser zu Hause abholen können. Ein weiterer Punkt ist die Nutzererfahrung, die sich verbessern wird. Auch virtuelle Besuche mit VR/AR sind denkbar. Wenn all das zusammenkommt, sieht Gian-Andrea hier auch neue Geschäftsmodelle, die sehr interessant sein könnten.

Wenn zum Beispiel eine Auffälligkeit von einem Wearable (zu hoher Puls) auf einer Skipiste gemeldet wird, dann lässt sich das perfekt mit Telemedizin kombinieren. Wenn dieser Zeitfaktor minimiert wird, ist es eine Win-Win-Situation für beide Seiten. 

Zu Beginn müssen die grundlegenden Hürden überwunden werden, bevor man sich solchen innovativen Ansätzen nähern können. Es gibt aber erste Ansätze, zum Beispiel im Bereich mHealth, wo erste Diagnosen durch Anwendungen auf Basis von Algorithmen gestellt werden.

Es wird nie ein Ersatz sein, denn wir sind Lebewesen und lieben den zwischenmenschlichen Kontakt. Aber als Kombination mit bestehenden Behandlungsmöglichkeiten wird es in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.

Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie schnell die Technologie voranschreiten kann. Wenn es so weitergeht, dann sind wir laut Gian-Andrea bei 50%, wenn Hürden gesenkt werden und Patienten und Patientinnen abgeholt werden.

Bisher haben wir immer von Leistungserbringern gesprochen, die die Telemedizin vorantreiben sollen. Wie wäre es, eine Plattform für Telemedizin anzubieten, ähnlich wie Uber oder Airbnb. Diese disruptiven Plattformen haben das vorgemacht und das würde spannende Geschäftsmodelle schaffen.

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