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Iris Kornacker – Der Swiss Digital Health Roundtable als Koalition der Willigen

53 Steuern Kommunikation Mitarbeitende/Zusammenarbeit Entwickeln Innovation Vertrieb Forschung Marketing Strategie Start-ups Leistungerbringer Spitex Alters- und Pflegeheime Rehaeinrichtungen Arztpraxen Spitäler Digital Health: Innovationen und Trends Organisationsentwicklung und die Rolle von Holokratie

Die digitale Transformation im Gesundheitswesen kann nicht allein vollbracht werden. Es braucht eine Koalition der Willigen, welche die Umsetzung dieser Transformation gemeinsam vorantreibt. Der Swiss Digital Health Roundtable – begründet durch Olivier Willi – ist eine solche Gruppe mit derzeit insgesamt 33 Mitgliedern und VertreterInnen des Gesundheitswesens.

Dr. Iris Kornacker ist eine davon und im Rahmen dieser Digital Health Episode zu Gast bei Alfred Angerer und Stefan Lienhard. Die promovierte Molekularbiologin und ehemalige Strategieberaterin bei McKinsey & Company ist nun seit vielmehr 10 Jahren bei der Swisscom AG tätig und bringt ihre Expertise als Chief Sales Officer bei der Swisscom Health AG nun auch in ihre Arbeit beim genannten Roundtable ein.

Die Arbeitsgruppe möchte die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens substanziell vorantreiben und ist überzeugt, dass dies nur gemeinsam durch die Bündelung von Expertise möglich ist. So berichtet Iris Kornacker von der zentralen Aufgabe des Netzwerkes, eine Landkarte mit konkreten Digitalisierungsprojekten entlang der «Customer Journey», die zur Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen beigetragen haben, zu erstellen und zu veröffentlichen.

Hören Sie in diese Podcast-Episode und erfahren Sie mehr zum Swiss Digital Health Roundtable, konkreten Projektbeispielen und welche Schritte im Rahmen der digitalen Transformation noch erforderlich sein werden.

Fragen und Antworten

Dr. Iris Kornacker glaubt an die Digitalisierung und an ihren Mehrwert für alle Branchen. Sie arbeitet schon viele Jahre im Bereich der Digitalisierung und hat selbst schon viele Strategien und neue Geschäftsmodelle entwickelt. Zudem glaubt sie daran, dass sich die Digitalisierung verstärken wird.

Sie kommt aus Deutschland, genauer genommen aus Köln und Kölner haben ihr eigenes Grundgesetz mit zwei Artikeln. Diese lauten: «es ist, wie es ist» und «es kommt, wie es kommt» - d.h. man hat nicht viel Einflussmöglichkeiten. Iris wird langsam ungeduldig, dass die Digitalisierung so lange dauert.

Sie mag zwar Digitalisierung, aber Beethoven live ist besser.

Sie hat sich schon immer für Biologie und Genetik interessiert. Die strukturierte Vorgehensweise und das Buch die Doppelhelix von Watson hat sie interessiert. Iris hat viel Demut gelernt und gelernt strukturiert und im Voraus zu denken.

Iris hat im deutschen Büro, aber im Wiener Office gearbeitet.

Sie durfte eine steile Lernkurve erleben und lernte vor allem wie man eine Strategie entwickelt. Wenn man zudem etwas bewirken will, muss das Management oder die Klientel dahinterstehen. Wenn man es umsetzen will, dann muss die Belegschaft informiert und gut kommuniziert werden. 

Sie durfte als Strategieberaterin bei der Swisscom die Strategie machen und konnte anschliessend in die Tochter der Swisscom Health wechseln.

Zudem steht das elektronische Patientendossier (EPD) in der Schweiz nach wie vor auf dem Zeitplan. Sie interessiert sich für die Komplexität und sieht den Anreiz der Herausforderung, ob damit die Digitalisierung durchgesetzt werden kann.

Das Gesundheitswesen ist langsamer und lebt stärker von der Zusammenarbeit der Akteure, daher ist es auch herausfordernder als in anderen Branchen. In diesem Bereich hat man zudem besonders schützenswerte Personendaten und daher ist die Anforderung an die Datensicherheit höher. Im Schweizer Gesundheitswesen ist der Digitalisierungsstand zudem sehr unterschiedlich, aber der Kostendruck ist noch nicht so hoch, um in diesem Bereich etwas zu tun. Der Wettbewerb um die Patienten hat jedoch zugenommen und fördert patientenzentrierte Applikationen (wie Apps). Dr. Iris Kornacker äussert sich positiv zur Zukunft.

Es ist ein Netzwerk von ganz unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitswesen, welche glauben, dass man die digitale Transformation im Gesundheitswesen beschleunigen soll. Zusammen soll dies schneller gehen, als wenn es jeder für sich allein versucht.

In der Gruppe entscheidet man sich für ganz konkrete Projekte, welche man gemeinsam umsetzen möchte, um so die Wirkung der Digitalisierung im Gesundheitswesen aufzuzeigen. Olivier Willi hat im Sommer 2020 dieses Netzwerk gegründet und mittlerweile weisen sie 33 Mitglieder auf. Das Netzwerk ist noch recht am Anfang.

In der ersten Phase wurden die Projekte gesammelt. Im Netzwerk wurden die Vorschläge bewertet und rangiert. Die Erstellung der Projektlandkarte ist dabei herausgestochen. Die konkreten Ideen werden nun nach und nach umgesetzt, um die Wirkung der Digitalisierung aufzuzeigen.

Dr. Iris Kornacker stimmt zu, denn je grösser die Gruppe, desto grösser die Wirkung. Denn nur so kann die Wirkung multipliziert werden. Jeder kann sich auf der Webpage für das Netzwerk bewerben.

Das Netzwerk besteht primär aus Vertretern, und zwar von Leistungserbringern (Kliniken, Apotheken), von Versicherungen, technischen Providern, sowie Startups oder Einzelpersonen. Zudem sind zwei Hochschulen vertreten.

Die Vertretung ist gut von der Verteilung her, vielleicht braucht es noch etwas mehr.

Rückfrage an Alfred und Stefan: Habt ihr noch Vorstellungen, wer noch fehlen könnte?

Alfred meint, dass man noch Personen aus Gesundheitsberufen oder der Ärzteschaft brauchen könnte. Stefan würde den Einbezug der Patientensicht – als Endnutzer – begrüssen.

Die Idee ist, dass man eine Schweizer Landkarte entwickelt, welche Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen auf einen Blick ersichtlich macht. Das Ziel davon ist, aufzuzeigen welche Projekte bereits umgesetzt wurden und dies soll weitere Akteure animieren mitzumachen. Zudem werden gemachte Learnings aus den Projekten geteilt. Zu gewissen Bereichen – beispielsweise auf dem Continuum of Care – gibt es keine Digitalisierungsprojekte, diese Lücken werden anschliessend analysiert

Alle möglichen sind erwünscht. Die Suche wurde extra offengehalten. Bisher wurden 23 Digitalisierungsprojekte gesammelt. Die Einreichung für neue Projekte ist auf der Webseite niederschwellig gestaltet.

Die Projekte wurden in drei Kategorien unterteilt. Die erste Kategorie dreht sich um den Patienten und um dessen Leben einfacher zu gestalten. Die zweite Kategorie bezieht sich auf die Mitarbeitenden von Leistungserbringern. Die dritte Kategorie beinhaltet alle Projekte um die Organisation und deren Abläufe. Dabei geht es vor allem um das effizientere Arbeiten. Dabei gibt es ein spannendes Projekt mit dem Namen gewaagte Logistik. Dabei geht es darum, dass man die Logistik teilautomatisiert und somit Zeit von Mitarbeitenden spart.

Die gewaagte Logistik ist ein Beispiel aus dem Schweizer Paraplegiker Zentrum. Sie haben festgestellt, dass Pflegende viel Zeit mit dem Nachfüllen von Pflegematerial verbringen. Oftmals haben die Stationen aus diesen Gründen ein Lager errichtet, hatten dann aber Probleme mit den Verfallsdaten. Deshalb hat die Klinik anschliessend die Materialboxen auf Waagen gestellt, welche anhand des Gewichts lernten, wie viel Material noch da ist und sobald ein bestimmter Schwellenwert unterschritten wurde, wurde automatisch nachbestellt.

Das Schweizer Paraplegiker Zentrum konnte die Wirkung sehr gut messen, sie konnten pro Station pro Monat über 200 Minuten einsparen.

Das Kinderspital versucht eine Strategie zu entwickeln und plant an vielen verschiedenen Orten Sensoren einzubauen, um diese Daten und Informationen später zu nutzen. Es geht dabei beispielsweise darum zu verstehen, wo gewisse Geräte stehen oder wie Räume genutzt werden.

Das ist alles machbar mit dem Internet of things und wenn man die Daten der Sensoren nutzt.

Hierbei merkt Stefan an, dass die Spitäler vorausschauend planen sollen, um nicht teuer nachrüsten zu müssen.

Dr. Iris Kornacker bestätigt die Wichtigkeit der frühzeitigen Berücksichtigung bei der Planung von Neubauten. Für solche Projekten gibt es viele Spezialisten, welche man beiziehen kann.

Im Bereich der patientenzentrierten Projekte wurden bisher die meisten Projekte eingereicht. Der Schulthess-Coach legt den Fokus auf Nachversorgung der Patienten. Auf digitalem Weg werden dem Patienten die Übungen erklärt und ein Kommunikationskanal ist integriert. Dadurch konnte die Compliance der Patienten erhöht und messbar gemacht werden. Fortfolgende Überlegungen gehen dahin, dass der Schulthess-Coach auf den Zeitraum vor dem Klinikeintritt ausgeweitet wird.
Stefan ergänzt, dass das Projekt den Schritt weg vom Papier ermöglichte. Zudem müssen die Patienten nach den Übungen eine Schmerzskala ausfüllen. Fällt ein dokumentierter Wert aus der Norm, wird dem Physiotherapeuten eine Nachricht zugesendet. Dieser hat anschliessend die Möglichkeit zu intervenieren und kann den Patienten per Chat oder Video kontaktieren. Neu sind auch die validierten, medizinischen Fragebogen integriert, welche die Datenerhebung erleichtern.
Dr. Iris Kornacker führt fort, dass Learning der frühzeitigen Patienteneinbeziehung grundlegend war. Die Kommunikation der Learnings wird hierbei als wichtig erachtet.
Stefan erwähnt in diesem Bezug, dass er als Bestandteil dieses Projektes sich auf den technischen Bereich fokussieren konnte. Für die Prozesse wurden die Physiotherapeuten beigezogen.

Zum einen geht es um Projekte, die sich auf die Mitarbeitenden konzentrieren und zum anderen um Projekte, welche sich auf die Prozesse und Abläufe fokussierten.

Dr. Iris Kornacker denkt, dass beides korrekt ist. Denn man spricht gerne über diese Art von Projekten und sie verkaufen sich gut, da sie die Patientenzentrierung von Leistungserbringern hervorheben. Die Effizienzprojekte, bei denen es sich um die Prozesse dreht, werden in ihrer Anzahl ansteigen, weil man mit ihnen Geld sparen kann. Der Kostendruck im Gesundheitswesen ist noch nicht so gross, kann aber steigen. Deshalb werden Effizienzprojekte an Bedeutung gewinnen. Das Continuum of Care (von Vorsorge, ambulant, stationär etc.) wird auch angeschaut. Dabei ist auffällig, dass in der Vor- und Nachsorge noch wenige Projekte vorhanden sind.
Alfred fügt hierbei an, dass es typisch ist, dass in der Prävention wenige Projekte existieren, da in diesem Bereich die Kostenwirksamkeit schwieriger dargelegt werden kann.

Aus Sicht von Dr. Iris Kornacker wäre dies sehr lohnend, aber momentan noch schwierig umzusetzen, denn wer gibt seine Fehler schon gerne zu. Zudem muss offengelegt werden, dass in etwas investiert wurde, das keinen Mehrwert bot. Das wird schwierig, aber nur aus Fehlern kann man lernen.

Dr. Iris Kornacker erklärt, dass die Projekte ausschliesslich aus Sicht der Leistungserbringer erläutert werden. Die mitwirkenden Beratungsfirmen oder die technischen Provider werden dabei nicht publiziert.

Man baut auf der Hoffnung auf, dass Leistungserbringer im Schweizer Gesundheitswesen auch auf den Zug mit aufspringen oder neue Ideen entdecken. Der Mehrwert dieser Projekte zeigt sich im kleinen, da einzelne Leistungserbringer Projekte umsetzen. Der grössere Mehrwert kommt noch, sobald ganzheitlich und Leistungserbringerübergreifend gedacht wird. Mit diesem Netzwerk und den Initiativen ist es das Ziel mehr Projekte zu generieren, aber auch im Bereich des Lobbyings sollte der ganzheitliche Ansatz bei Projekten verfolgt werden.

Die Personen, welche sich nicht angesprochen fühlen, denken wahrscheinlich «macht mal». Die Mitglieder haben die starke Hoffnung und den Willen etwas bewirken zu können. Dr. Iris Kornacker spürt das grosse Engagement der Mitglieder.

Allzu viel kann man nicht erwarten. An dieser Stelle müssen sich die Mitglieder gegenseitig challengen und hinterfragen, ob sie die richtigen Projekte umsetzen. Sie müssen darauf achten, dass die Abläufe vereinfacht werden, sich nicht durch Prozesse mehr Arbeit aufhalsen und kreativ nach Lösungen suchen. 

Der erste Schritt der Digitalisierung der kommt, in diesem Punkt ist Dr. Iris Kornacker positiv gestimmt. Dieser Punkt muss noch etwas beschleunigt werden und mehr Akteure sollen teilnehmen. Die Herausforderung liegt im zweiten Schritt und dass man nun übergreifend und ganzheitlich denken muss. Bei diesem Punkt kommt auch die Politik ins Spiel. Die Bevölkerung muss die Digitalisierung einfordern und sie fordern sie nur ein, wenn sie den Bedarf spüren. Zudem müssen Bund und Kantone in diesem Bereich eine aktive Rolle einnehmen.

Die Politik wird sich nur einschalten, wenn sich die Patientenorganisationen bemerkbar machen. Zudem sollen Patientenorganisationen den Patienten aufzeigen, dass ihnen momentan die Vorteile durch die mangelnde Digitalisierung verwehrt werden. Insbesondere im Rahmen des EPD wird sich dies zeigen.

Die Ernennung eines Verantwortlichen für das Gesundheitswesen der Schweiz. Diese Rolle muss mit einem gesunden Pragmatismus, einem Budget und Entscheidungsrechten ausgestattet werden. Diese Person würde zwei Aufgaben erhalten. Als Erstes müssen alle Leistungserbringer mit einer Grundausstattung für die Digitalisierung ausgestattet werden. Beispielsweise ist Papier nicht mehr erlaubt. Als Zweites muss eine Strategie erarbeitet werden, um den zweiten Schritt der Digitalisierung – das übergreifende und ganzheitliche Denken umzusetzen. Dabei muss als Grundlage das EPD implementiert werden.

Die Digitalisierung ist da, aber wir können noch mehr erreichen. Der zweite Schritt ist die grosse Herausforderung.

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